Poetry Slam
Mit Poetry (Poesie) hat das Ganze nicht mehr so viel zu tun, aber in das Senderhaus 3 auf dem Funkerberg strömten so an die hundert blutjunge Leute, so dass auch einige lange Beine und Chick zu verzeichnen waren.
Dass man sich nicht nur im Senderhaus aufhalten musste, waren draußen Bildschirme angebracht und Bierbänke aufgestellt, wo man sich vor dem plätschernden Hintergrund der Selbstdarsteller, dann auch mal zusätzlich unterhalten konnte.
Für den Moderator war es auch erst das zweite Slam, leider haben wir uns keine Namen gemerkt, und er thematisierte in seinen eigenen Beiträgen die Schreibnöte, denn offenbar verbringt er seine Tage vor dem immer mehr oder weniger leeren Bildschirm und wartet, dass sein neuer Roman fertig wird.
Den Hinweis auf dieses Ereignis hatten wir ja Lars, unserem Vereinsvorsitzenden, zu verdanken, der aber selbst nicht aktiv teilnahm, sich auch nicht auf seine Lieblingsbeschäftigung, die Textkritik, verlegen konnte. Diese Nachricht hatte auch Franka-Loraine erreicht, die so gegen neun reinschneite und sich gleich einen Sonderplatz außerhalb der Wertung sicherte. Sie ist zwar an die UnDichter nur noch so angeschlossen, dass sie ab und an eine Mail bekommt, aber hat auch immer das Glück, dass sie Beachtung findet.
Die Dritte aus dem Dunstkreis unseres Vereins war Liane, eine Meisterin der ungereimten Poesie, mit der ich schon immer ein bisschen geprobt hatte, die sich aber doch nicht zur Teilnahme angemeldet hatte, sondern auf einen Einspringplatz hoffte. Der ergab sich dann auch tatsächlich, sie holte ihre Texte aus dem Auto und trat als sog. „Quotenfrau“ an. Es ist wirklich auffallend, dass das Slammen scheinbar eine Domäne der jungen Männer geworden ist.
Die meisten Beiträge sind ja so comedymäßige Versatzstücke aus dem mehr oder minder inhaltsreichen Alltagsleben der jungen Generation und bei den drei „gehobeneren“ aus dem UnDichterumfeld musste man schon mal richtig zuhören, was nun zwar keine Lachsalven und totale Begeisterung auslöste, aber man merkte schon gespannte Aufmerksamkeit.
Ich meine nicht, dass wir etwa eine Alternative zur unterhaltungsbetonten Slammerei aufgemacht hätten, aber wenn man sich die kläglichen Publikumserfolge unserer eigenen Lesungen ansieht und hier etwas zur Buntheit der Darbietungen beitragen konnte, dann könnte man meinen, dass vielleicht beide Seiten etwas lernen können.
Wir hatten jedenfalls nicht das Gefühl, dass wir völlig auf dem falschen Dampfer gewesen wären und wenn die Jugend einmal dabei ist, Begeisterungsstürme loszuwerden, da kann man schon mal einige Brosamen davon abbekommen. Immerhin lagen zwischen den Besten, die zwei bis dreimal monatlich auftreten und schon wahre Profis sind, und uns nur wenige db (es wurde der Applauspegel ermittelt).
Ich hatte ja ein 10 Jahre altes Gedicht vorgetragen, von dem ich seinerzeit so viel hielt, dass ich meinte, man würde damit stante pede ein Dichter werden. Immerhin hat es mir 93,8 db eingebracht, also 5 db hinter dem ersten der Runde.
Mit knapp sechzig wird man nicht gerade mehr ermutigt, sich in so einen Hexenkessel zu stürzen und wenn wir uns das nächste Mal anmelden wollten, wird man uns wahrscheinlich freundlich bedeuten, es sei alles gerade ausgebucht, aber wir haben’s versucht.
Slammer werdet poetischer! Poeten werdet unterhaltsamer!
Im Waltersdorfe 8.8.2012