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Kolumne KW41 „Puppenspielfest“

Puppenspielfest

 

Bis aus Österreich reisen die Leute an, die wir mittlerweile schon kennen, denn es war ja dieses Wochenende bereits das neunte Oster-Zerr-Gebirgige Puppentheaterfest in und um Bärenfels. Diese Verballhornung des Osterzgebirges gehört zu den stehenden Gags, an denen es nicht mangelte, es gab viel zu lachen, aber auch echte Kunst.


Warum haben wir so etwas nicht in Bran­denburg? Liegt es am minderwertigeren Holz? Oder daran, dass wir keinen Paul Hölzig hatten, der als Puppenspieler in Bärenfels zu Hause war? Dass wir keinen Seniorpuppenspieler wie Hans-Joachim Hell­wig (80) aus Radebeul haben? Oder daran, dass wir keinen so schöne Spielstätte haben wie den Gasthof Bärenfels und auch nicht so viele umliegende Spielstätten? Aber man ist ja in drei Stunden da, am Ort des Gesche­hens und man muss ja nicht alles zu Hause haben. Natürlich gebräche es uns auch an einer engagierten Schirmherrin wie Andrea Dombois, die doch immerhin Vizepräsidentin des sächsischen Landtags ist.

Auf dem Fest werden an einem Wochenende nicht weniger als 19 Veranstaltungen ange­boten. Wir haben gerade mal fünf mitge­nom­men, haben ein paar kleine Enttäu­schungen erlebt, aber sind insgesamt sehr angetan wieder nach Hause gekommen, und wo ich diese Zeilen hier in Waltersdorf schreibe, halten die Veranstaltungen noch an.

Aus unserer bescheidenen Perspektive als Teilnehmer und Laien waren die ungekrön­ten Gewinner das Puppentheater des deutsch-sorbischen Volkstheaters aus Baut­zen und das Figurentheater Ernst Heiter aus Mecklenburg. In Bautzen scheint man noch Geld zu haben, denn das dortige Theater beschäftigt 25 Schauspieler und sechs Pup­pen­spieler, womit ja noch nicht alle Aufwendungen als gedeckt angesehen werden können, denn dazu gehören be­kannt­lich noch ein paar Leute mehr, es sind Häuser zu unterhalten usw.

Da kann man sich recht aufwändige Insze­nierungen leisten, wie das Stück „Die acht Mil­lionäre“ – ein geglücktes Experiment des gemischten Personen- und Puppenthea­ters für Erwachsene, eine Kriminalkomödie eines Franzosen, bei der allerdings etwas exzessiv vor sich hin gemordet wurde, ein Stilelement, das ich persönlich lieber aus dem Theater verbannt sähe. Aber meisterhaft wurden die beiden Ebenen: Schauspiel und Puppenspiel da vermischt. Auch die technische Schwie­rigkeit, dass der Gasthof eigentlich nicht hoch genug für die Bühne war, was in einer witzigen Rede (mit Gesang) der Intendantin thematisiert wurde, hielt die Darsteller nicht zurück, buchstäblich auf Knien zu spielen.

Man kann sich durchaus die talentierten Dar­steller Annekatrin Weber und vor allem Stephan Siegfried merken. Von ihm sahen wir heute noch einmal eine sehr beachtliche Rotkäppchenaufführung mit wundervollen Pup­pen, einfallsreichen Requisiten und seiner darstellerischen Kunst, wo man selbst als Erwachsener vergisst, dass er die Puppen spielt, obwohl er zu sehen ist, so ein stimmliches und gestenreiches Eigenleben entwickeln sie. Seinen Teil zu der Insze­nie­rung trug auch das Ambiente der Herklotzmühle bei, die von einem Förder­verein wiederhergestellt wurde und wo man die wasserkraftgetrieben Riesenzahnräder wieder in Aktion sehen kann.

Das war für uns der krönende Abschied von der in wunderbare herbstliche Farben getauch­ten Gebirgslandschaft, aber es klang in uns noch ein anderes unwiederbringliches Erlebnis vom Sonnabend nach, wo wir am Vormittag „Frau Fischer und ihr Mann“ von Ernst Heiter und seiner Partnerin gesehen hatten. Das bekannte Märchen von der maßlosen Fischersfrau wurde mit minimalen Mitteln so überzeugend dargestellt, dass selbst von den Kindern nicht einmal der Kasper vermisst wurde. Sehr nahe an dem Märchen hatten sich die Darsteller die Freiheit erlaubt, die Anmaßung der Frau, vom Butt mehr und mehr zu verlangen und zum Schluss der Herrgott selber werden zu wollen, als einen Traum des Fischers zu interpretieren, die Zurückversetzung in den ärmlichen Stand zum Schluss des Märchens also als Rückkehr in den Alltag zu inter­pretieren, wodurch dann auch im Grunde niemand schuldig geworden war. Hätten wir eine Wahl zu treffen gehabt, war das der absolute Höhepunkt des ganzen Festivals.

Zu den Enttäuschungen zählte leider auch eine Vordiplomarbeit der „Ernst Busch“ Schauspielschule, bei der es um eine Art Exorzismus gehen sollte und mit Puppenspiel fast gar nichts mehr zu tun hatte. Da wohnt man scheinbar zu nahe an der Volksbühne, um noch Qualität auf die Bühne bringen zu können. Mit einem anderen Beitrag, der wohl eher der Comedy zuzuordnen ist, fiel eigentlich die ganze lange Nacht des Puppenspiels durch, die bis früh um viere gedauert haben soll, aber wir nur bis halb elf ansahen.

Zwar hatten wir keine Wahl zu treffen, aber die Auswahl hatten wir natürlich. Man weiß nicht immer, was einen erwartet, aber bei den vorherigen Besuchen hatten wir schon den Eindruck gewonnen, dass die ost­deutschen Truppen, trotz magerem Budget oft deutlich besser sind. Insgesamt ist das Fest auf jeden Fall ein Geheimtipp.

C.R. im Waltersdorfe 20.10.2013