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Kolumne KW46 „Wirtschaftswunder Glashütte“

Wirtschaftswunder Glashütte

 

Wenn man bei uns zu Hause von Glashütte spricht, denken die meisten an ein Museumsdorf im Märkischen, einen Urlaubermagneten, in dem man sich auch tatsächlich im Glasblasen versuchen kann. Meistens hat man es ja nicht mit der Klientel zu tun, die sich noch eine Glashütter Uhr leisten kann, die noch handgefertigt werden.

Von der Größe her ist es auch nichts weiter als ein Dorf, aber es hat städtische Fassaden und sieht aus, als wäre es gerade aus dem Ei gepellt. Aufgrund der Renaissance der mechanischen Uhren, für die man heute Tausende hinblättern muss, die aber als mechanische Meisterwerke genügend Kundschaft haben, lebt hier die Zeit weiter und es entstand eine Wohlstandsinsel im Sächsischen.

Es fallen einem mindestens sechs Uhrenbe­triebe ins Auge, doch wenn man intensiver nachliest, sind es elf. Einige befinden sich in ausländischem Besitz. Es könnte sein, dass die Produktion in Ostdeutschland preiswerter ist als zum Beispiel in der Schweiz. Fast alle stellen mechanische Uhren her und man kann sich nur wundern, wie groß dieser Markt sein muss, dass nicht nur die zahlreichen Glashütter Firmen davon leben können, sondern auch die renommierteren aus der Schweiz und Frankreich.

Glashütte hat mit allen Eingemeindungen lediglich 7000 Einwohner und die Uhrenindustrie bietet über tausend Arbeitsplätze. Als touristische Attraktion hat die Stadt seit einigen Jahren wieder das Uhrenmuseum zu bieten, es gibt auch immerhin vier Bäcker, aber nicht eine Gaststätte oder gar Hotel. Das hat die Stadt nun erkannt und wirbt um einen Investor. Angeblich gibt es sogar drei mögliche Standorte, dabei ist die Stadt so in das Tal eingezwängt, dass fast jeder Quadratmeter genutzt ist und man jetzt schon ein Parkhaus bauen muss.

Diese Enge, die historisch gewachsen ist und in die immer neue Manufakturen gezwängt werden, erweckt den Eindruck, es gäbe gar keinen Platz mehr in der Stadt. Selbst der Bahnhof ist schon eine Uhrenmanufaktur. Die drei Straßen, die aus Glashütte herausführen, haben beträchtliche Steigun­gen und es bedarf schon einer kleinen Wanderung, um festzustellen, dass nicht die ganze Gegend unter Raumnot leidet. Es sind nur die Hänge bewaldet und auf der Höhe befinden sich weitläufige Felder. Nachbarorte auf der Höhe, wie Johnsbach oder Dittersdorf leiden gar nicht an Raumnot und man kommt sich dort wie in eine andere Welt versetzt vor. Eine Firma hat sich auch in der Sternwarte niedergelassen, die sich nahe an der Stadt, aber eben auch auf der Höhe befindet. Weiter traut sich scheinbar keiner auf die grüne Wiese.

Vielleicht ist dieser kleine Boom der Tatsache geschuldet, dass man allgemein gern in bleibende Werte flieht, wenn das ganze Wirtschaftssystem kollabierungsgefährdet ist. Man kann sich jedenfalls freuen, dass es eine solche Insel gibt, wo man noch von seiner Hände Arbeit vernünftig leben kann, wenn auch auf engstem Raum.

Glashütte 2013

Hier Firmen aus dem Boden schießen,
Man sieht noch Kräne und Gerüste.
Den Bahnhof musste man schon schließen,
Weil der auch produzieren müsste.

Er ist nun Nomos. Auf der Höh
Die Sternwarte, neu ausgerüstet,
Ist Wempe nun und ich versteh,
Ihr nicht, weil ihr es sehen müsstet.

Doch abends sitzt dort nur Herr Klein,
Er zeigt mir ferne Galaxien,
Lädt zu ’nem Sternenstündchen ein
Und Unkenntnis wird mir verzieh’n.

Sechs Uhrenfirmen hier am Ort,
Man hört es förmlich allseits ticken.
Das Tick und Tack, es dauert fort,
Ein unaufhörlich Zeigerrücken.

Der Boom ist eine Renaissance,
Weil viele noch die Unruh lieben.
Man hat’s bemerkt und nutzt die Chance
Nicht mehr elektrisch angetrieben.

Sie sind beliebt, die winzig Räder,
Man könnt es fast schon Kunstwerk nennen,
Mit Ankerrad, Iridiumfeder,
Wie wir sie ganz von früher kennen.

Man hofft auf einen Boom beständig,
Glashüttes lange Konjunktur,
Dass dieses Glück dann auch inwendig,
Kann man nicht wissen, wünscht es nur.

Und abends hört man leise Schritte,
Ein wenig sächsisch wird gesprochen,
Besuchen Sie doch mal Glashütte,
Hier ist der Wohlstand ausgebrochen.

C.R. im Waltersdorfe 15.11.2013