Der Gedichtladen

Gedanken aus dem Leben, für das Leben

Kolumne KW27 „Folge Deinem Stern“

Folge Deinem Stern

 

Feierliche Stimmung verbreitete sich in der Mehrzweckhalle der musikbetonten Gesamtschule Paul Dessau als die Absolventen der vier zehnten Klassen ihre Zeugnisse erhielten. Der Direktor Dr. Drescher hielt in seiner Rede einige Gleichnisse zum alle bewegenden Fußball bereit und der Mathelehrer Herr Look begann eine Statistik, die er allerdings nicht ganz zu Ende führte, sonst wäre offenbar geworden, dass die 10/3, zu der auch unser Sohn gehörte, mit neunzehn Qualifikationen für die Abiturstufe von 24 Schülern das beste Ergebnis abgeliefert hat.


Auch auf dem Zeugnis unseres Sohnes steht dieser Vermerk, dass er hätte Abitur machen können, aber wie sollte man dem Ruf der Wirtschaft nach Lehrberufen nicht folgen, wenn nunmehr über sechzig Prozent den Weg zum Abitur gehen. Die Motivation ist dabei allerdings in den seltensten Fällen, dass man unbedingt noch mehr aus dem Kelch des Wissens kosten möchte, sondern weil es einfach der einfachste Weg ist, sein Leben auf der Schulbank fortzusetzen, ohne den Unwägbarkeiten irgend­welcher Bewer­bun­gen ausgesetzt zu sein. Unser Sohn hat sich also für sein Leben erst einmal entschieden, auch wenn er die Fähigkeiten zu einem Abitur hätte, aber sich auch kein Bein ausreißt.

Da heißt es erst einmal, die bitteren Pillen zu kosten, die das Berufsleben bereithält und sich dann, auf einem vielleicht noch schwereren Weg später weiterzuqualifizieren.

Die Abschlussfeier der 10/3 fand noch am gleichen Abend statt in Neudiepensee. Einige Eltern hatten ein tolles Bufett organisiert, aber wir hatten noch im Hinterkopf, dass die Jugendlichen lieber allein gefeiert hätten und sind mit gemischten Gefühlen dorthin gegangen. Ein Programm haben die Jugendlichen nicht auf die Beine gekriegt, aber die Klassenlehrerin, Frau Füting, wurde noch mal so richtig gefeiert. Sie hatte auch eine Überraschung für ihre Schützlinge und überreichte jedem seinen eigenen Brief, den die Schüler der siebten Klasse anlässlich ihrer „Einschulung“ in die Paula in der Siebten geschrieben hatten und die sie aufbewahrt hatte. Dazu gab es noch je eine CD von ihr mit Bildern aus den letzten vier Jahren.

Eigentlich hätte ich als Elternvertreter vielleicht ein Gedicht vortragen sollen, aber dieses Ansinnen wurde als „voll peinlich“ abgelehnt, genau wie die Rocklänge der Mutter vorgeschrieben war. Natürlich wäre mir auch gar nichts eingefallen, was man an Weisheiten mit auf den Weg hätte geben können und so versuche ich jetzt mal, meinem Sohn etwas zu schreiben, das er ja garantiert nicht liest, sind wir doch inzwischen Meister im Ignorieren von überflüssigen Informationen.

Mein Sohn, Du gehst den schweren Weg
ganz ohne Glanz und Gloria
hast für dein Wissen den Beleg
nimmst’s leicht und spielst so gern, na ja

Gespräche zwischen uns sind rar
bist zu mir kritisch eingestellt
bist so ganz anders, als ich war
verbesserst nicht die ganze Welt

Und schließlich ist sie so geblieben
wie sehr der Heißsporn auch geglüht
er hat ganz einfach übertrieben
und sich umsonst so abgemüht

Christian Rempel im Waltersdorfe
4.7.2014