Frei nach dem Motto von Oscar Wilde, dass in der Kunst wahr sei, von dem auch das Gegenteil wahr ist, soll eine literaturwissenschaftlich inspirierte Interpretation versucht werden, die dem Rechnung trägt, dass der Autor mit dem Gewalttätigen gar nicht liebäugelt, sondern sich auf der Seite des Guten sieht, sprich, in der Anfangsphase sich mit dem Hund identifiziert.
Es ficht ihn nicht an, sich damit in ein nicht mehr menschenähnliches Wesen zu versetzen, sondern in ein Tier, das doch geradezu sprichwörtlich der Prügelknabe ist, der aber auch, man denke an Heinrich Hoffmanns Struwwelpeter, letztlich triumphiert, weil er ja eben beißen kann.
Im Gedicht von G. J. macht der Hund davon allerdings keinen Gebrauch und lässt sich rituell opfern. Als Täter kommen auf jeden Fall andere als man selbst in Frage, die es mit den unwissenden Mädchen treiben, die einen Teil des Publikums bilden und bei denen der krude Umgang mit dem armen Hund überwiegend gut ankommt, die sich mit Schleifen geschmückt haben und deren Lösen der Geilheit anheimstellen.
Dieser Teil kann auch als Ausdruck der liebevollen Zuwendung durch den Autor selbst gedacht werden, der damit allerdings kurzzeitig in das geschmähte SIE eintauchen würde, das er sich sonst so gern vom Leib hält. Es darf einfach kein Ich werden oder wollte er damit eine sublime zweite Ebene einziehen?
Die Gewalttätigkeit des SIE haftet fast allen an, außer des Autors engstem Kreis. Denn da gibt es das eine Mädchen, das weint, offenbar ein mitleidendes Wesen, eine, die mit dem armen Hund mitfühlt. In Wirklichkeit ist dieses eine Mädchen mindestens dreifaltig, es sind A., L. 1 und L. 2, die, wie abzusehen war, erklärte Anhänger des Gedichtes sind und wegen des Mitfühlens mit dem ersten Opfer – dessen Schicksal ja nun einmal entschieden wäre, wäre er nicht nur sein lyrisches Ich, wie alle anderen genannten auch – jetzt selbst an die Reihe kommen, die er seit Jahrzehnten umsorgte und liebte, ja, auch bewachte.
Unbeschadet dessen, dass wir auf der Täterseite eigentlich nur C. 1 und C. 2 haben, wird den dreien, die dieses eine mitfühlende Mädchen sind, das weint, nun ebenfalls der Garaus gemacht und gleich darauf weitere Opfer gesucht, wieder von vorn begonnen und das bis in alle Unendlichkeit. Das können natürlich die beiden Einzeltäter nicht leisten, mögen sie sich noch so sehr und berechtigt selbst als Opfer fühlen, sondern da gibt es noch das unendlich große Publikum, dem der Hund meinte seine Kunststücke zur Freude vorführen zu können und es auch immer wieder das eine oder andere Mädchen geben könnte, das ihn wirklich liebt.
Der circulus vitiosus, in seiner ewigen Dauer zugespitzt dargestellt, fordert geradezu zum Umsturz dieser Verhältnisse heraus.
Dem so verrenkten Geist des Lesers wird es nun sehr gewöhnlich vorkommen, sich den Barockdichter und die Blümchenlyrikerin als Opfer vorzustellen, selbst wenn sie eben gerade zwei sind, aber für eine literaturwissenschaftliche Analyse, die immer das Unvorhergesehene, das Herbeigeschriebene bevorzugt, ist das in aller Ausführlichkeit Dargelegte eben eher die Wahrheit.
C. 2 14.9.2015