Auch dem Gedanken der deutsch-russischen Freundschaft verbunden ist man am MGH, da doch viele noch aus dem jetzt fernen weiten Land hergereist sind, das unter anderem den hervorragenden Schriftsteller Fjodor Dostojewski (1821-1881) hervorbrachte. Was in der Seele an Subtilem schlummert, er brachte es dramatisch zu Papier, auch wenn es sich manchmal um scheinbar banale Geschichten handelt, wie sie jedermann passieren können, und er widmet sich meistens Außenseitern (Idiot, Spieler, Pfandleiher).
Was Ilja Pletner auf die Bühne brachte, die eigens im MGH improvisiert wurde, ist selbstgeschrieben, selbstinszeniert, selbst ausgestattet und selbst brillant gespielt. Die Gewissensnöte des Pfandleihers, der die Sanfte sein eigen nannte, werden auf, neben und unter einem Tisch ausgetragen, der sowohl den Ladentisch dieses dubiosen Geschäfts als auch einen Gute-Stuben-Tisch darzustellen vermag.
Was bei Dostojewski vorstellbar wird – hier wird es gegenständlich in diabolischen bis hochfahrenden Gesten, vom Kriechertum bis zu den Freuden einer Krämer- und Jungmännerseele, die sich zu allem Geldverdienen jetzt auch noch dieses unzweifelhaft schöne und hingebungsvolle Wesen, die Sanfte, anzueignen verstand, mit dieser reinen Seele die eigenen Schandflecke hinwegzulieben.
Der Pfandleiher, durch seinen Beruf ausgegrenzt, wie ein Henker der Armut, hatte diese selbst erfahren, als er aus dem Militärdienst unehrenhaft ausscheiden musste und bewahrt sich einen respektablen Rest an Mitgefühl, ist bei weitem kein Monster, Feigling oder Tyrann, so dass es nicht zwingend erscheint, dass die Sanfte immer mehr unter dem materiell auskömmlichen Leben, das sie vom absoluten Rand der Existenz her mit dieser Ehe erreichte, leidet, ja so leidet, dass sie sich sogar mit einem anderen Mann trifft, dabei aber klug und treu ihre Position als Gattin bewahrt, sie dahin kommt, dass sie ihren eigenen Mann erwägt aus dem Leben zu befördern mit seinem, dem gleichen Revolver, mit dem er auch ihren „Fehltritt“ zu beenden wusste.
Diese Seelengründe sind sehr russisch, ob deren Konsequenz wir Deutschen schon immer vor Neid erblasst sind, aber auch etwas zu grinsen haben, weil wir uns auf unsere sinnliche Genügsamkeit und unser Sattsein ganz schön etwas einbilden.
Christian Rempel 1.4.2011 www.gedichtladen.de
Ilja Pletner, Die Sanfte nach einer Erzählung von Fjodor Dostojewski 31.3.2011 19:00 Uhr MGH