Der Gedichtladen

Gedanken aus dem Leben, für das Leben

Kolumne KW 44 2016 „Reue“

Reue

 

Wie habe ich es bereut, nicht an Dich gedacht zu haben, als klar war, dass mein Vater nicht würde mitkommen können ins Schmalzstullentheater, das heute Abend in Diedersdorf gastierte. Freilich, ein bisschen Kleingeld musste man schon mitbringen, denn nicht nur die Theaterkarten hatten ihren Preis, sondern auch die geschickt implementierte Gastronomie war nicht ganz billig.

Du, der Du diese Zeilen als erster liest, bist mir erst eingefallen als ich schon höchst zufrieden die wenigen Kilometer zurückkehrte und ich in die Vorstellung verfiel, was Du wohl dazu gesagt hättest, wenn Du dieses kunstvolle Stück Psychologie, das uns quasi als Klamotte angekündigt war, sogar von einem der Mitwirkenden, dessen er sich gar ein wenig beschäme, wenn Du das gesehen hättest, wärst Du des Lobes voll gewesen.

Dabei weiß ich, dass Du ein Theaterliebhaber bist, und gerade, wenn es mit so wenig logistischem Aufwand zu haben ist und trotzdem so toll, es zu schätzen gewusst hättest.

Hier also meine dünnen Erin­nerungen an die Fünfer­truppe, die das Viermannstück auf die Bühne brachte, das den unver­fäng­lichen Titel „Flitterwo­chen“ hatte.

Da ist also ein Paar nach der Eheschließung aufs Land gezo­gen, wo sie sich schon zur Zeit der Handlung ganze sechs Monate befinden. Natürlich ist dieser Landsitz Diedersdorf. Spielte man in Neustrelitz, wäre der Landsitz eben dort gewesen, auf jeden Fall ein Ort, wo man noch eine solide Theaterleistung erwarten kann. Die beiden gehen aber nicht ins Theater, sondern haben Mahlzeiten und zwischen den Mahlzeiten nichts als Natur, was den Mann herzlich langweilt und ihm schon alle Poesie in diesem Zusammenhang abhan­den­ge­kom­men ist. Nur Zwei­samkeit, das geht eben nicht.

Als dann ein Freund des Mannes eintrifft, kommt Bewegung in die Sache und entwickelt sich zu einem Drama mit Augen­zwinkern. Eingestreute Couplets laden zum Mitsingen und Schunkeln ein und nach einem kräftigen Applaus sitzen dann die Glamourgestalten, befreit vom Glammer und wie ganz normale Menschen bei uns am Tisch. Ein unvergessliches Erlebnis und Genuss, von dem hoffentlich nicht zu viel verraten ist.

Christian Rempel in Zeuthen, den 5.11.2016