Skandinavisches
Das hier ist natürlich nicht von einem Skandinavienexperten geschrieben, aber auch dem Laien fällt auf, dass diese kleinen Völker, Norwegen hat gerade mal 5 Millionen Einwohner, inzwischen beachtliche technische und kulturelle Leistungen hervorbringen.
Diese liebenswerten Menschen sind verlässliche und unkomplizierte Geschäftsleute, wie ich in meinem Berufsleben mitbekommen habe, ohne dabei auf den Kopf gefallen zu sein.
Was das Kulturelle anbelangt, so war mir schon vor über zehn Jahren August Strindbergs „Am offenen Meer“ empfohlen worden, das einen totalen psychologischen Tiefgang hat und man leicht zum Lieblingsbuch machen kann. In dessen Fußstapfen trat der Dramatiker Hendrik Ibsen, der um treffende Psychogramme auch nicht verlegen war.
Aber die Kette riss nicht ab. Abgründe und Problematisches bis hin zur Gewalttätigkeit präsentierte Ingmar Bergmann in seinen „Szenen einer Ehe“, die es sogar in die DDR Kinos geschafft hatten. Henning Mankell ist als psychologischer Krimiautor nicht mehr wegzudenken und jetzt deutet sich eine völlig neue Literaturgattung an, vertreten durch Jonas Jonasson mit seinem „Hundertjährigen, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ oder „Die Analphabetin“ und ganz neu der Norweger Lars Mytting mit seinem Buch „Die Birken wissen’s noch“.
Das sind spannende Bücher mit einer überhöhten Realität, die deutlich in der Unglaublichkeit angesiedelt ist und trotzdem eine unterhaltende und stringente Logik besitzt. Wir wollen das als „feingewebten Realismus“ bezeichnen, wo man immer wieder überrascht wird durch unvorhergesehene Wendungen, wo eigentlich klar ist, dass es solch ein Geschehen nie gegeben haben kann, aber die Autoren haben entdeckt, was man mit Romanen alles machen kann, dass der Leser die ihm bekannte Welt kaum verlassen muss und dennoch in völlig ungeahnte Verstrickungen geführt wird. Das ist kein Psychologisieren mehr, das ist die in Handlung, in Action verwandelte Psychologie, die von den buntschillernden Äußerlichkeiten auf geradezu ideale Menschen führt. Dank euch, Skandinavier, dass euch das nach dem Sicherheitsgurt und dem Tetra Pak auch noch eingefallen ist.
Christian Rempel in Zeuthen, den 25.5.2017