Nürnberger Trichter
Es gilt als fast vergessen, was vor Jahren noch Karikaturisten zur Darstellung eines Schülers, dem oben am Kopf ein Trichter angebracht ist, anregte, durch den das Wissen quasi hineingeschüttet werden kann, also das, was PISA sich erträumte. Dieser Nürnberger Trichter ist nun schon fast 400 Jahre alt und ist in den allgemeinen Sprachschatz als „Eintrichtern“ eingegangen.
Das war kurz vor dem Ende des Dreißigjährigen Krieges, als sich in Nürnberg ein sog. Blumenorden gegründet hatte, eine Vereinigung von Dichtern, deren prominentester Vertreter Georg Philipp Harsdörffer war. Da Nürnberg an der Pegnitz gelegen ist, haben sie sich auch als Pegnesier bezeichnet, was sich fast schon so anhört wie Pekinesen.
Harsdörffer hatte mehrere populäre Schriften verfasst, in denen er sich insbesondere an die braven Frawenzimmer gewendet hat, mit seinen „Gespräch–spielen“. 1647 brachte er ein Buch heraus, den „Poetischen Trichter“, womit die gesamte Poeterey in wenigen Stunden einzugießen sei. Das war also ein durchaus ehrenwertes Unterfan–gen, die Leute zum Schreiben zu bringen.
Auch wenn das Trichterbild nicht mehr so gegenwärtig ist, hat die heutige Verfahrensweise immer noch viel davon. So gestand mir ein Schüler vorige Woche, dass man sich immer nur für Tests derart zuschütten lasse und dabei selbst mitwirkt, um es dann alles nach 14 Tagen wieder vergessen zu haben. Mit Intelligenz habe das wenig zu tun und mancher Abgänger der zehnten Klasse sei fähiger als die meisten Abiturienten.
Was wohl mehr Not tun würde, als sich Sachen perfekt einzubimsen, ist das Herangehen an Schwierigkeiten, die sehr oft rein praktischer Natur sind, auch wenn sie im Wissenschaftsgebiet angesiedelt sind. Dass da kaum einer anbeißt, ist bedenklicher als Wissenslücken.
Christian Rempel in Zeuthen, den 1.9.2018