Der Gedichtladen

Gedanken aus dem Leben, für das Leben

Utopisches Rentnerdasein

Utopisches Rentnerdasein 

Mich stört es gar nicht, dass meine Rente wohl niedriger ist, als ich sie im Westen zu erwarten hätte. Wenn man auf sein Lebenswerk zurückblickt, so hat man wohl an etwas gearbeitet, was dem jetzigen Brötchengeber wenig eingebracht hat, wie man überhaupt zu der Meinung kommen kann, dass die meisten Beschäftigungen überhaupt wenig zu dem beigetragen haben, was man heute noch zu Geld machen könnte.

Wodurch man es sich verdient haben könnte, dass eine Pflegekraft einem vielleicht in absehbarer Zeit den Löffel zu Munde führt, die nur recht und schlecht bezahlt ist, konnte man sich wohl zu allen Zeiten schon fragen. Man hat ein paar Kinder in die Welt gesetzt und Geld für sich und sie verdient. Früher war da idealer Weise noch ein bisschen Weisheit, die einem die Duldung noch für ein paar tatenlose Jahre eingebracht hat. Man hatte seine Freude an den Alten, die zwar so ihre Grillen hatten und manchmal nicht von ihrer Führungsposition lassen konnten, selbst wenn sie dann wunderlich wurden, war das den Jüngeren eine Folie, was sie es dann selbst mal betreffen würde, wenn sie dann in die Jahre gekommen.

Arbeiten, die wir Alten übernehmen könnten, gibt es ja nicht mehr viele. Das Staubsaugen und Rasenmähen übernehmen jetzt schon Roboter, das Essen kann man sich fertig kaufen oder in eine Gaststätte gehen und mit der Weisheit sieht es auch nicht mehr so gut aus, weil die Zeit auch nicht danach ist, dass man mit Weisheit viel würde ausrichten können. Es bleibt also das simple Dasein, und das Leben ist auch auf gewisse Art nichtssagend geworden.

Wir haben heute nicht mehr die packenden Geschichten, der Krieg mit seinen Unsäglichkeiten hat uns nicht ereilt und die paar Lieder, die wir noch kennen, mag keiner mehr hören.

Vielleicht können wir die Welt unseren Kindern noch ein bisschen interessant machen, die uns bald eingeholt haben und selbst schon im reifen Alter. Wir haben ihnen ja auch vorzumachen, wie zu sterben ist, und das ist ja eine schwierige Aufgabe, auf die man einige Energie verwenden muss. Auf jeden Fall wollen wir ihnen keinen Wahn von ewiger Jugend vorleben. Also denn man tau.

Christian Rempel in Zeuthen, den 2.10.2018

Utopia

Utopia – erster Tag
Schiff zum Weltenrand,
Seeschlange bade!
Utopia noch unerkannt.
Wo sind nur Deine Gestade?
Das GPS spinnt!
Das ist der Rand der Welt.
Novalis hier beginnt,
allein auf sich gestellt.
Du bist – ich glaub es – Utopia
Utopia – zweiter Tag
Die Einfahrt verrifft,
die Jugend, wie schade:
versoffen, bekifft,
und die Alten malade.
Werbebanner für alles,
Dudelradio und TV.
Bild eines Augiasstalles,
Geilheit auf alles was frau.
Ist nicht – nun glaub mir – Utopia
Utopia – dritter Tag
Die Jugend wehrhaft,
die Kassen gefüllt,
alle in traute Stille gehüllt.
technisch in Meisterschaft.
Ein jeder in Arbeit,
so er nicht befreit.
Für alles ist Zeit,
bis zur Unendlichkeit.
Du bist – ich glaub es – Utopia
Utopia – vierter Tag
Hoffart als wahre Natur,
Bitten zu Tode geschwiegen.
Freiheit ist`s pur,
wenn bei Huren sie liegen.
Wahl gibt es alle paar Jahr,
dass nichts anbrennt:
„Wählt, was ihr nie erkennt!“
Mitgefühl nur gegen bar.
Ist nicht – glaub ja nicht –Utopia
Utopia – heute
Des weisen Hauptes Krone,
Zierrat wem Zierrat gebührt,
die Königin nicht ohne,
das Schloss gut aufgeführt.
Und wie ich mich verneige,
kehr ich vor’m eignen Haus,
das GPS ist aus,
in Sphären schon eine Geige!
Das ist – so glaub nur – Utopia

C.R. www.gedichtladen.de 2011