Euphorisiert
In all dem Coronasalbadern war es der Tagesschau am 25. November immerhin 15 Sekunden wert, vom Deutschen Zukunftspreis zu berichten. Dieser wurde zum Durchbruch einer Technologie verliehen, die sich EUV (Extreme Ultra Violett) nennt. Ernst Abbe aus Jena, der Begründer von Carl Zeiss als Stiftung, war es, der den Zusammenhang zwischen Auflösungsvermögen und der Wellenlänge und der Blende erkannte. Er wandte das auf die Mikroskopie an und hat, da dort die Wellenlänge als gegeben anzusehen ist, weil das Licht ja sichtbar sein muss, versucht die Blende zu vergrößern, was in der Optik auch als Apertur bezeichnet wird. Diese Mikroskope mit vergrößerter Apertur stellten sich aber zunächst als schlechter heraus als die herkömmlichen, weil man die Optikrechnung und Fertigung noch nicht so beherrschte. Er ließ sich aber nicht entmutigen und baute dann die besten Mikroskope der Welt.
Wie man durch das Mikroskop möglichst feine Strukturen sehen will, ist es umgekehrt in der Mikrochipherstellung das Ziel, möglichst feine Strukturen zu erzeugen, ist also so etwas wie dessen Umkehrung. Die Feinheit der Strukturen bestimmt letztlich, wie hoch der Integrationsgrad ist, denn dieser bestimmt die Größe der Bauelemente.
Nun hat man bei elektromagnetischer Strahlung, von der das sichtbare Licht nur einen kleinen Teil ausmacht, die Möglichkeit verschiedene Wellenlängen zu nutzen, und so lag es nahe, immer kürzere Wellenlängen zu verwenden. Das könnte bis zur Röntgenstrahlung gehen, aber diese ist schlecht durch Fotolacke aufzuhalten und eignet sich daher nicht. Zunächst hat man den ultravioletten Bereich erschlossen, erst mit entsprechenden Lampen und später mit Gaslasern, wobei man auch noch berücksichtigen muss, dass die Luft tiefe UV Strahlung nicht durchlässt. In der Untersuchung von Plasmen ist man darauf gestoßen, dass diese auch extremes Ultraviolett emittieren, eben EUV, und in diesem Bereich gibt es auch noch verfügbare Fotolacke. Zwar muss das EUV auch im Vakuum geführt werden, weil es von der Luft absorbiert würde, aber dieses Problem ist lösbar. Da es aber kein Material gibt, das in diesem Spektralbereich transmittieren würde, kamen nur Spiegeloptiken in Frage. Vor etwa 20 Jahren wurde auch dieses Problem gelöst, indem sog. Multilayerspiegel erfunden wurden, deren Herstellung aber nicht gerade einfach ist und die erreichten Reflexionsgrade auch nicht berauschend. Als weiteres Problem kommt hinzu, dass die Fertigungsgenauigkeit der Spiegel im Bereich des Atomdurchmessers liegt.
Da standen vor den Forschern im Jahre 2000 gleich mehrere Herausforderungen, man musste Quellen für diese Strahlung entwickeln, die nur an Synchrotrons oder Freien Elektronenlasern (noch heute in den Kinderschuhen) verfügbar waren oder eben aus lasererzeugten Plasmen bestehen. Diese dritte Möglichkeit wurde nun für Maschine, die einen etwas unaufgeräumten Eindruck macht, genutzt. Als Laser fiel die Wahl auf einen CO2 Laser, den die Trumpf GmbH herstellte (nicht zu verwechseln mit der Schokoladenfirma). Als zweites musste ein optisches System berechnet werden, wo sich offenbar das Jenenser Fraunhoferinstitut verdient gemacht hat, und die dritte Komponente ist die Spiegelherstellung, bei der Zeiss federführend war.
Unsere Firma in Berlin hat sich eigentlich nur mit den Spiegeln beschäftigt und aufwändige Prüftechnik dafür gebaut. Wir können uns dabei zugutehalten, dass wir von Anfang an mit dabei waren, weil wir zu diesem Zeitpunkt schon über weitreichende Erfahrungen in der Synchrotrontechnik verfügten.
Trotzdem schwimmt in all den Freudentränen ein Wermutstropfen, denn Deutschland ist nicht der Systemintegrator, der dann wohl das Geschäft macht, aber immerhin ist es eine europäische Firma, die aus dieser Neuheit vielleicht Milliardengewinne generieren kann. Wohin dieser Systemintegrator seine Fühler überall ausgestreckt hatte in der gut subventionierten deutschen Forschung, ist anlässlich der Preisverleihung klargeworden, aber man hätte es als Insider gern eher gewusst. Den staatlichen Förderern muss das schon eher klar gewesen sein, dass man sich somit mit der Zuliefererrolle zufriedengibt.
Aber auch an der verlängerten Werkbank kann man sich wohlfühlen, und wenn wir schon ansonsten nur noch Museales zu bieten haben, hier kommen schon ganz tolle Ideen zum Tragen. Wie viele da mitgewirkt haben in unserem Heimatland, wird zwar immer noch nicht so recht deutlich, aber wir haben eben zur Zeit andere Sorgen, erst mal müssen die Weihnachtseinkäufe getätigt werden, und das eben unter den erschwerten Bedingungen.
Allen einen gesegneten ersten Advent.
Christian Rempel, Zeuthen, den 29.11.2020