Nach innen geht der geheimnisvolle Weg. In uns oder nirgends ist die Ewigkeit mit ihren Welten, die Vergangenheit und Zukunft.
Kaum einer kennt ihn noch, den Friedrich von Hardenberg, der in seinen Annalen den geheimnisvollen Namen Novalis fand – das neue Land- und diesen annahm. Ich hatte ihn immer in Weißenfels verortet, und er musste vor wenigen Tagen erst seinen 250. Geburtstag feiern, dass ich von seinem wirklichen Geburtsort Oberwiederstedt erfuhr, der nun allerdings an Wochenenden nur mittels beachtlicher Wanderungen erreichbar ist, die entweder von Hettstedt oder Sandersleben im Südharz erfolgen können. So führte uns der Hinweg über die Lutherstadt Eisleben, in der Luther noch heute für alles verantwortlich ist, von der Autowerkstatt bis zur Energieversorgung, und in dem Zug waren, wie fast überall in den Regionalbahnen, Ausländer, wohl ukrainische Mütter mit Kindern, die sich aber in reinstem Russisch unterhalten, die Kinder Maoam kauend Handy spielen und die Redeschwälle der Mütter kein Ende finden. Sogar ein kleiner Hund, sehr brav, war mitgeflohen und sie alle hatten keinen Blick für das maienhafte Mansfeld, wo noch heute die Halden vom Abbau des Kupferschiefers künden, ein Bergbau, der schon seit den Zeiten von Albrecht dem Bären betrieben wurde, also seit dem 12. Jahrhundert, wie ich dann am Ziel von zwei Hettstedterinnen erfuhr, die sich auch von ihrem DDR Neubaugebiet aus, wie wir, nach Oberwiederstedt auf den Weg gemacht hatten.
Das Schloss der Hardenbergs liegt ziemlich versteckt, ist nicht totsaniert, sondern die hölzernen Fenstereinfassungen scheinen wirklich noch die Zeichen der Jahrhunderte zu tragen. Für das Schloss war das Ende der DDR gerade noch rechtzeitig gekommen, denn es hatte zum Abriss gestanden, wurde von einer Gruppe Jugendlicher gerettet, die dann allerdings überflüssig geworden waren, als man es zur Forschungsstätte für Frühromantik umfunktionierte. Dem Schloss gegenüber liegt gleich ein altehrwürdiger Park, der sich zur Wipper hinzieht, einem Flüsschen, das nach Sandersleben führt.
Das Museum ist schön gestaltet, man kann das Zimmer sehen, das dem von Novalis bis zu seinem 13. Lebensjahr bewohnten nachempfunden ist. Da findet man auch die Locke der Sophie Kühn, seiner kindlichen Verlobten, die schon fünfzehnjährig verstorben war und der er mit nur 28 Jahren nachfolgte.
Die Frühromantiker waren ja noch nicht dem Kitsch verfallen, in den dann die Romantik auslief, vielleicht war deren Fortsetzung auch der Jugendstil, der ja die Kunstgeschichte befruchtet hat. Alles ist relativ und man kann nichts endgültiges schaffen. Daher hielten die Frühromantiker es auch für ausreichend, Fragmente zu hinterlassen, aber der Anspruch war dennoch sehr umfassend. Diesen Weg nach Innen hatten ja schon vorher die Pietisten beschritten, jetzt besannen sie sich noch auf das Mittelalter. Aus fahrenden Rittern wurden Wandersburschen, die Wunderliches erlebten, und das Ganze wurde dann eben nicht ganz fertig und blieb Fragment. Alles ein bisschen abgehoben und nicht genug verdichtet, um zu dramatischer Dichtkunst zu werden, in der die Frühromantik dann nur wenige Spuren hinterlassen hat. Dafür aber in der bildenden Kunst, der Malerei und in der Musik, wo sie am längsten fortlebte.
Bricht man hier einfach ab, so ist man schon fast ein Frühromantiker, denn es handelt sich dann auch um ein Fragment – und so wollen wir es auch halten.
Christian Rempel, im Waltersdorfe, den 17. Mai anno 2022