Siebzehn Silben Ewigkeit
Thériault, Denis
2011
ISBN: 3423247436
Verlag: dtv
Rezension
Hier lernt man was dazu
Autor
Der 1959 geborene Denis Thériault lebt in Montreal. Eigentlich ist er Conférencier und Schauspieler und ist erst seit relativ kurzer Zeit literarisch tätig. Für das besprochene Buch erhielt er einen kanadisch-japanischen Literaturpreis. Eine eigenständige Leistung stellt die Übertragung ins Deutsche dar, die Saskia Bontjes van Beek besorgte.
Bildungslücke
So einfach die japanische Gedichtform, die sich Haiku nennt, auch ist, so stark ist auch deren Beschränkung auf siebzehn Silben in drei Zeilen, die sich per se nicht reimen dürfen und meistens der Naturbetrachtung gewidmet sind und zudem „fueki“ – Ewiges und „ryoko“ – flüchtig Veränderliches enthalten sollen. Auch ein kompletter Briefwechsel, der nichts weiter enthalten darf als diese Dreizeiler, hat einen Namen und heißt „Renku“.
Der Plot
Ein Briefbote in französisch Kanada hat den Hang, fremde Briefe vor der Zustellung zu lesen und zu kopieren. Besonders hat es ihm der Renku, ganz wie Matsuo Bashô (1644-1694), zwischen einem benachbarten Literaturprofessor und einer französisch-karibischen Schönheit angetan. Als der Professor vor den Augen des Postboten tragisch ums Leben kommt, sind seine letzten Worte etwas wie „im Schuh“. Natürlich kann keiner ahnen, dass es sich dabei um die Verballhornung von „Enso“ handelt, einem weiteren japanischen Geheimnis. Die folgende Handlung gibt sich etwas vorhersehbar, als nämlich der Postbote in die Identität des Professors schlüpft, sich selbst im Renku übt und es ihm gelingt, die ohnehin entflammte Schönheit dazu zu bewegen, dass sie sogar auf Besuch kommen möchte. Der Auslöser davon war ein kleines Meisterwerk des frischgebackenen Haikuschmieds, der sich dann sogar in der Urform der Tankas versucht hatte:
Bisweilen brauchen Blumen
Sieben Jahre bis sie blüh`n
Schon seit langer Zeit
Will ich Ihnen gesteh`n
Wie innig ich Sie liebe
Die erotisierte Antwort lässt nicht lange auf sich warten und lautet:
Stickig heiße Nacht
Feuchte Laken, die
auf Schenkeln, Lippen glühn
Ich suche Sie, verlier mich
Bin die erblühte Blume
Was folgt, ist ein Rausch von Kurzgedichten, die in ihrer Direktheit vielleicht nicht ganz zur asiatischen Zurückhaltung passen. Die Briefträgerei wird für geraume Zeit an den Nagel gehängt, bis dann das Rendezvous naht, worauf etwas Unvorhergesehenes passiert …
Fazit
Es ist nicht ganz neu, dass französischsprachige Autoren große Themen nonchalant angreifen und sie einem bestsellergewohnten Publikum nahebringen. Vom geistigen Gehalt darf man auf diesem Wege nicht allzu viel als Ballast mitnehmen, aber unterhalten ist man allemal gut damit. Wer noch nichts von siebzehn Silben Knappheit wusste, hat jetzt einen persönlichen Eindruck.
Christian Rempel
22.12.2011