Der Gedichtladen

Gedanken aus dem Leben, für das Leben

Kolumne KW36

Einsamkeit

 

Die Einsamkeit kann so drückend sein, dass manchmal die Kommunikation mit der Au­ßenwelt völlig abbricht. Es kann zu Tagträu­men kommen, die der Logik entbehren, bei denen bei Dichtern die Worte noch hervor­quellen, die eigentlich mystische Versenkung sind.

Die Suche nach einem Thema, mit dem man die Einsamkeit zu durchbrechen sucht, kann einen auf den Versuch bringen, sich selbst eine Aufgabe zu stellen, man kann die Auf­ga­ben Revue passieren lassen, die gerade an­stehen, zu denen man sich aber nicht aufraf­fen kann, und sie kann einen bis in religiöse Gefilde entführen, wo man einen Sendboten Gottes herbeisehnt.


Zwei Drittel des Jahres sind nun schon ver­stri­chen und man hört schon von einigen, dass sie schon an Weihnachtsgeschenke denken und sogar das eine oder andere zum Fest eingekauft haben.

Wenn man die Zeitungen aufschlägt, stellt man fest, dass ein Fest und eine Aktivität die andere jagt, als gäbe es keine Sorge um die Zukunft, als sähen wir nicht einer Geldent­wer­tung entgegen, die wohl der einzige Aus­weg aus der sog. Eurokrise ist.

Sich selbst eine Aufgabe zu setzen, besteht meistens darin, dass man sich vornimmt, weniger Zeit vor dem Fernseher zu vertun, dass man seine Wohnung in Ordnung hält oder sogar mal wieder renoviert. So erstrahlt unsere Küche jetzt auch wieder in einem strah­lenden Weiß, Flusssteine zieren die Wän­de und selbst der Fussboden ist mit ei­nem neuen Schiffsboden belegt. Aber doch bleibt die Sehnsucht nach einer geistigen Aufgabe, die jemanden unterhalten könnte, die andere um kleine Erkenntnisse bereichert, die wenigstens erwünscht ist. Gern würde man jemandem mal wieder die Freude eines Gedichtes oder eines Essays machen, aber man hat nicht das Gefühl, dass so etwas ge­wünscht wird und es bleibt wieder die Ein­samkeit.

Als anstehende Aufgabe gälte es, das „Fest der Stille“ auch diesjahr wieder zum zweiten Advent zu organisieren, aber man müsste über Gebühr Energie darin investieren, dass überhaupt alle mal wieder aufwachen und sehen, dass es nur noch drei Monate bis da­hin sind. Das Gefühl der Zusammengehö­rig­keit ist auch da der Einsamkeit gewichen, aus der es fast keinen Ausweg mehr gibt.

Vielleicht besteht die Lösung für das Problem der Ein­sam­keit sogar in noch mehr Einsam­keit, indem man nämlich diese überhaupt an sich heranlässt und sich ihrer bewusst wird. Viele empfinden die Einsamkeit gar nicht mehr richtig, weil sie sich in Aktivitäten stür­zen, die gar keine Pause mehr finden. Nur we­nige noch nehmen sich bewusst Auszei­ten, in denen sie sich zum Beispiel aus den Medien und sogar aus der Familie ausklinken und eine Zeit ganz für sich verleben. Auf die­sem Wege, wie wir auf unserer Wanderung letz­tens haben feststellen können, fließen ei­nem Erlebnisse zu, die gegenüber der gerade ge­wäl­zten Problematik neutral sind, die ei­nem neuen Mut geben können. Vielleicht auch re­ligiöse Gedanken, wie sie der Manu­ela Ger­lach vor Jahren einkamen und die wir letz­tens wiederfanden:

Der Tag krampft sich zusammen
Der Abend kriecht, schmales Rinnsal, aus meinen Augenwinkeln
Lichtschein in meinen Straßen, hängt sich an meine kranke, zerschmerzte Seele
Engel, komm nicht zu nah – zu spät, doch nie kommst Du ungerufen
Einsamschöner Engel, spielst auf Deinem Flügel, begnadet, möchte man meinen
Er bedarf meiner nicht, ich gehe bis ins Innerste ertaubt vorüber
Und der Tag krampft sich zusammen
O Gott, lass mich nicht mutlos werden an mir

Im Waltersdorfe 2.9.2012