Einsamkeit
Die Einsamkeit kann so drückend sein, dass manchmal die Kommunikation mit der Außenwelt völlig abbricht. Es kann zu Tagträumen kommen, die der Logik entbehren, bei denen bei Dichtern die Worte noch hervorquellen, die eigentlich mystische Versenkung sind.
Die Suche nach einem Thema, mit dem man die Einsamkeit zu durchbrechen sucht, kann einen auf den Versuch bringen, sich selbst eine Aufgabe zu stellen, man kann die Aufgaben Revue passieren lassen, die gerade anstehen, zu denen man sich aber nicht aufraffen kann, und sie kann einen bis in religiöse Gefilde entführen, wo man einen Sendboten Gottes herbeisehnt.
Zwei Drittel des Jahres sind nun schon verstrichen und man hört schon von einigen, dass sie schon an Weihnachtsgeschenke denken und sogar das eine oder andere zum Fest eingekauft haben.
Wenn man die Zeitungen aufschlägt, stellt man fest, dass ein Fest und eine Aktivität die andere jagt, als gäbe es keine Sorge um die Zukunft, als sähen wir nicht einer Geldentwertung entgegen, die wohl der einzige Ausweg aus der sog. Eurokrise ist.
Sich selbst eine Aufgabe zu setzen, besteht meistens darin, dass man sich vornimmt, weniger Zeit vor dem Fernseher zu vertun, dass man seine Wohnung in Ordnung hält oder sogar mal wieder renoviert. So erstrahlt unsere Küche jetzt auch wieder in einem strahlenden Weiß, Flusssteine zieren die Wände und selbst der Fussboden ist mit einem neuen Schiffsboden belegt. Aber doch bleibt die Sehnsucht nach einer geistigen Aufgabe, die jemanden unterhalten könnte, die andere um kleine Erkenntnisse bereichert, die wenigstens erwünscht ist. Gern würde man jemandem mal wieder die Freude eines Gedichtes oder eines Essays machen, aber man hat nicht das Gefühl, dass so etwas gewünscht wird und es bleibt wieder die Einsamkeit.
Als anstehende Aufgabe gälte es, das „Fest der Stille“ auch diesjahr wieder zum zweiten Advent zu organisieren, aber man müsste über Gebühr Energie darin investieren, dass überhaupt alle mal wieder aufwachen und sehen, dass es nur noch drei Monate bis dahin sind. Das Gefühl der Zusammengehörigkeit ist auch da der Einsamkeit gewichen, aus der es fast keinen Ausweg mehr gibt.
Vielleicht besteht die Lösung für das Problem der Einsamkeit sogar in noch mehr Einsamkeit, indem man nämlich diese überhaupt an sich heranlässt und sich ihrer bewusst wird. Viele empfinden die Einsamkeit gar nicht mehr richtig, weil sie sich in Aktivitäten stürzen, die gar keine Pause mehr finden. Nur wenige noch nehmen sich bewusst Auszeiten, in denen sie sich zum Beispiel aus den Medien und sogar aus der Familie ausklinken und eine Zeit ganz für sich verleben. Auf diesem Wege, wie wir auf unserer Wanderung letztens haben feststellen können, fließen einem Erlebnisse zu, die gegenüber der gerade gewälzten Problematik neutral sind, die einem neuen Mut geben können. Vielleicht auch religiöse Gedanken, wie sie der Manuela Gerlach vor Jahren einkamen und die wir letztens wiederfanden:
Der Tag krampft sich zusammen
Der Abend kriecht, schmales Rinnsal, aus meinen Augenwinkeln
Lichtschein in meinen Straßen, hängt sich an meine kranke, zerschmerzte Seele
Engel, komm nicht zu nah – zu spät, doch nie kommst Du ungerufen
Einsamschöner Engel, spielst auf Deinem Flügel, begnadet, möchte man meinen
Er bedarf meiner nicht, ich gehe bis ins Innerste ertaubt vorüber
Und der Tag krampft sich zusammen
O Gott, lass mich nicht mutlos werden an mir
Im Waltersdorfe 2.9.2012