Der Gedichtladen

Gedanken aus dem Leben, für das Leben

Kolumne KW40

Capitale mundi

 

Die sieben Hügel, auf denen Rom errichtet worden sein soll, lassen sich nur schwer be­stimmen, denn die ganze Stadt ist ein wenig hügelig und richtig ausmachen konnten wir nur den Palatino-Hügel, auf dem Rom vor et­wa 2800 Jahren gegründet worden sein soll.

Der Tiber windet sich in einiger Tiefe in Rich­tung Süden dahin, eingefasst von Mauern, so dass eine Bootstour nicht viel mehr ergeben könn­te, als die Betrachtung derselben. Die Häuser sind alle für die Ewigkeit ge­baut, wie es sich für die ewige Stadt geziemt.

Wenn nicht schon die Phönizier den Kalkze­ment entdeckt hätten, mit dem sie sogar un­ter Wasser Festigkeit erreichten, hätte man die Römer für sehr erfinderisch halten können, denn sie verwendeten in den manchmal meterdicken Mauern das Opus caementitium, während bei uns noch im Mittelalter Eier als geeignetes Bindemittel verwendet wurden. Die Römer sind wohl einfach ein bisschen mehr herumgekommen.

So kommt es, dass wir heute noch gewaltige Bogengewölbe bewundern können, die sie vor zweitausend Jahren gebaut hatten. Auch wenn das Forum Romanum eher einem Trüm­­merfeld gleicht, haben sich diese Zeu­gen gewaltiger Bauanstrengungen eben bis heute erhalten. Wenn man sieht, wie dort heute Archäologen mit einer spachtelartigen Kelle und einer Kehrschaufel hantieren, ist einem klar, mit welchen nicht adäquaten Mitteln man es heute zu tun hat.

Am heutigen Piazza de la Republica hatten die Römer ein Bad hingeklotzt, das noch heute wie eine gewaltige Ruine aussieht, und als eine Reiseführerin sagte, es handle sich um die schönste Kirche Roms, waren wir erst einmal verblüfft, bis wir das Innere sahen, das zu einer gewaltigen Kathedrale umgebaut und auf Pläne von Michelangelo zurückgeht. Heute heißt sie Santa Maria degli Angeli und wir finden dort einen Sonnenkalender und eine Ehrung Galileis.

Wie schwer hatte sich doch die Kirche mit Galileo Galilei getan, der gerade so dem Scheiterhaufen entgangen ist und seine letzten neun Lebensjahre unter Hausarrest verbringen musste. Erst 1979 gab Johannes Paul II, der noch heute stark verehrte Papst Woytila, eine Untersuchung des Falles in Auftrag, die dann bis 1992 währte und zu Galileis Rehabilitation führte. Da muss man schon mal wie er mit 26 Jahren das zweit­längste Pontifikat innehaben, wenn man das Ende einer solchen Initiative noch erleben möchte.

Dem Vatikan kann man ja zugute halten, dass er die besterhaltene Anlage Roms dar­stellt und mit dem vatikanischen Museum eine unschätzbare Sammlung von Kunstwer­ken der Öffentlichkeit zugänglich macht. Da mangelt es auch nicht an den Nackedeis antiken Ursprungs, die sehr beeindruckend sind und in der bahnhofsartigen Sixtinischen Kapelle, die ohne Michelangelos berühmte Fresken fast schmucklos wäre, kann man nur den Atem anhalten und trotzdem bedarf es dort des ständigen „Tsch…tsch“ der Wach­mann­schaft, um den Geräuschpegel erträg­lich zu halten. Man soll dort auch nicht photographieren, woran sich aber wohl die wenigsten halten.

Wir hatten den Vatikan durch einen Spazier­gang durch den mediterranen Stadtteil Tras­te­vere erreicht und waren von dort über eine Hügelkette und an dem Garibaldidenkmal vorbei gelangt. Den Park schmückten viele Büsten von ausschließlich Männern, die man auch im Borghesepark am nördlichen Ende der Stadt findet. Man kennt davon keinen einzigen, aber nimmt die Tatsache mit, dass es offenbar eine ganze Schar verehrungs­würdiger Italiener gibt.

In einer einzigen Buchhandlung finden wir eine Abteilung deutschsprachiger Bücher. Das Deutsche ist nurmehr eine Randnotiz, obwohl man allerorten deutsche Touristen trifft. Ein Dutzend bemerkenswerter Schrift­steller findet man dort, darunter Christa Wolf und Wladimir Kaminer, der mir nur bekannt ist, weil ich gerade ein Buch von ihm lese. Zwar ist er ein Russe, aber es gibt scheinbar keine deutsche Feder mehr, die noch unser Heimatland zu beschreiben imstande wäre.

Auf dem Rückflug, den wir mit einer Stunde Verspätung antreten, entschuldigt das der Käptn mit der unsäglichen Schlamperei auf dem Flughafen Fiumicino, aber in Tegel ist es nicht besser und wir müssen fast eine Stunde auf unsere Koffer warten. Da sind wir also wieder bei schlechtem Kaffee und unter ehrlichen Leuten, die leider ein bisschen faul geworden sind.

Im Waltersdorfe 29.9.2012