Glashütte die zweite
Nun waren wir noch einmal in Glashütte, dass unser Sohn eine Eignungsprüfung absolvieren konnte. Es waren noch sieben weitere Anwärter dabei, die alle schon Abitur hatten oder sogar ein abgebrochenes Studium hinter sich. Man fragt sich, wie typisch heute schon Verwirrungen im Ausbildungsweg sind, denn ein Abitur oder ein Teilstudium befähigt einen keinen Deut mehr, dann anschließend Uhren zusammenzuschrauben.
Glashütte zeigte sich in seinem baulichen Glanz an diesem sonnigen Nachmittag, aber man sieht kaum jemanden auf der Straße. Wie ausgestorben scheint die Stadt auf den Sonnabend, vom Sonntag ganz zu schweigen und selbst unter der Woche ist es noch ein bisschen wie zu DDR Zeiten, wo es eine Ausnahme war, dass jemand tagsüber nichts zu tun hat und ziellos durch die Straßen flaniert. Es gäbe eigentlich nur zwei Runs, sagt uns unser Bekannter und Verantwortliche für die Sternwarte, einmal, wenn der Arbeitstag beginnt und dann wieder, wenn allgemein Feierabend ist.
Über das Wirtschaftswunder Glashütte hatten wir ja schon in der Kolumne 46/2013 geschrieben. Das zieht nun so viele junge Leute an, dass auf eine Lehrstelle zehn Bewerber kommen und demnach stehen die Chancen für unseren Sohn nicht sonderlich gut, auch wenn er nicht Uhrmacher, sondern Werkzeugmechaniker werden möchte. Aber so schnell wollen wir die Hoffnung nicht aufgeben.
Für uns stand nun eher der touristische Aspekt im Vordergrund, und da war es gut, dass wir einen Bekannten hatten, der uns einen Steig an den steilen Hängen um Glashütte zeigte. Es gibt nicht nur eine Bastei, von der man den östlichen Teil der Stadt sehen kann, sondern man kann bis oberhalb des Bahntunnels zum sog. Pilz gehen. Dann ging es an der Weißeritz zurück und meine Frau verabschiedete sich, um den geprüften Sohn zu versorgen, während wir im Garten des Herrn Klein ein Teleskop errichteten und den vergeblichen Versuch unternahmen, den Jupiter bei Tageslicht zu sehen.
Dann haben wir uns erst mal den Sternkarten am Computer zugewendet und hatten so bis zum Einbruch der Dunkelheit zu tun, was den Vorteil hatte, dass wir dann noch mal schnell in die Sterne gucken konnten und den Jupiter tatsächlich fanden, was allerdings im Dunkeln kein großes Kunststück ist. Dann wurde ich auch schon zum Essen gerufen. Die einzige Möglichkeit, sich in Glashütte zu ernähren, ist ja, dass man sich selber etwas kocht, denn es gibt keine richtige Gaststätte, und nach der Zahl der Passanten zu urteilen, wäre das auch ein aussichtsloses Unternehmen.
Die Abende verbringen wir normalerweise mit Lesen, aber da nun mal der Sohn im Mittelpunkt stand, blieb als Alternative nur das Fernsehen. Das war dann so anstrengend, dass wir wohl für Jahre wieder genug davon haben. Ein paar Reime sollten auch wieder entstehen:
In Glashütte
In Glashütte – welch Häusergedränge
und wie viele – Automobile.
Wie klein dagegen die Menschenmenge,
die hier strebt zu hohem Ziele.
Am Puls der Zeit, sie dreht zum Glück
sich zuweilen auch zurück.
Man lebt von Leuten mit ’nem Tick,
die finden eine Unruh chic,
und ist man noch ein wenig reich,
greift man dann zur Glashütter gleich.
Gern stünde hier auch unser Sohn
in ein’ger Zeit in Brot und Lohn.
Da heißt es fleißig, fleißig üben,
nicht nur in Gutelauneschüben.
Christian Rempel im Waltersdorfe
23.2.2014