Der Gedichtladen

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Kolumne KW13 „Ad astra“

Ad astra

 

Gestern Vormittag stand ich vor der Wahl, eine kleine Präsentation zu dem „Wohl und Wehe von ebooks“ zu verfassen oder einen Aufsatz über Kopernikus zu schreiben. Habe ich doch selbst ein paar ebooks publiziert und auch schon einige erstanden. Diese der Übersicht sich sperrig entgegenstellenden Produkte, haben zu einer regen Diskussion geführt, ob denn nun das gewohnte Buch verdrängt werde und inwieweit das ebook über Gebühr kontrollierbar sein könnte.

Tatsächlich weiß nun Amazon genau, wann ich welche Seite umblättere, welche Stellen ich für hervorhebenswert hielt oder wo und wann ich ein Lesezeichen gesetzt habe. Das wird nun alles genau protokolliert und zudem ist es noch schwierig, sich in einem solchen Buch zurechtzufinden, denn der Text hat keine feste Zuordnung zu Seiten mehr und ich habe mir immer Stellen ganz gut gemerkt, wo ich immer noch wusste, ob sie oben rechts oder unten links gestanden haben, auch wenn ich schon viel weiter war in dem Buch.

Jetzt muss man das alles über Such­funktionen realisieren und hat ganz schön zu tun, ein populärwissenschaftliches Buch wie von Dava Sobel „Und die Sonne stand still“ aufzuarbeiten. Ein bisschen mulmig wird einem dann schon, wenn man im Internet die Stellen aufgeführt findet, die man selbst auf einem ganz anderen Gerät markiert hat, aber was um Gottes Willen wollen die Amerikaner damit anfangen, dass sie fast alles von mir wissen. Einen Index der verbotenen Bücher gibt es ja nicht mehr, auf dem sich Kopernikus‘ „De revolutionibus“ befunden hat, obwohl er es sogar dem Papst zugeeignet hatte. Weil Kopernikus auf Kritik schon gefasst war, hat er lange gezögert, seine Ansichten zu veröffentlichen und der Legende nach hielt er sein Werk, noch ungebunden, wie damals üblich, erst auf seinem Totenbett 1543 in den Händen.

Wenig beachtet ist, dass Kopernikus‘ These, dass sich die Erde um die Sonne bewege, eigentlich eines Beweises entbehrte und das Modell auch keine genaueren Ergebnisse lieferte, weil die Bahnen der Planeten eben nicht Kreise sind, sondern Ellipsen, wenn auch mit viel schwächerer Ausprägung als viele Menschen von irgendwelchen Schemata her annehmen. Aber der Himmel ist eben ein sehr genaues Messfeld. Zu Kopernikus‘ Zeiten konnte man Positionen auf ein Sechstel Grad bestimmen, aber nur achtzig Jahre später sollte das der dänische Astronom Tycho Brahe auf ein Hundertstel Grad steigern und heute ist man bei einem Zehntausendstel und weniger.

Kopernikus‘ Hypothese war nur haltbar, wenn er die Ausdehnung des Kosmos gegenüber den landläufigen Vorstellungen vergrößerte, denn, wenn alle Sterne auf eine Kristallschale geheftet sind und man dort mit der Erde drin herumsaust, muss man diesen mal näherkommen oder sich von ihnen entfernen, wenn man in eine bestimmte Richtung blickt. Das heißt, man müsste über das Jahr unterschiedliche Abstände zwischen Ihnen feststellen. Dass dies wirklich der Fall ist, konnte erst 300 Jahre später bewiesen werden. Tatsächlich sind ja die Sterne so weit weg, dass sich ihr Abstand durch den Jahresumlauf der Erde um weniger als ein Millionstel ändert. Wie soll man das wohl feststellen?

Kopernikus war noch der Meinung, er hätte dem erhabenen Gestirn Sonne einen Thron im Zentrum eingeräumt, aber der allgemeine Aberglaube hat mit dem Zentrum eher die Hölle identifiziert. Dorthin gelangte man ja, wenn man sich in die Mitte der als Zentrum gedachten Erde, also deren Tiefe begab. Zudem betrachtete man den Himmel als das Werk Gottes, wo er mit den veränderlichen Planetenkonstellationen fleißig dabei war, Zeichen für die irdischen Zeitläufte zu setzen. Von der Astrologie zeigte sich Kopernikus sogar unbeeinflusster als viele seiner großen Zeitgenossen oder Nachfolger.
Heute schweift der Blick noch weiter in den Kosmos. Die Aufmerksamkeit wurde erst auf unser Planetensystem gelenkt, dann auf unsere Galaxis, bis man zwischen den Sternen noch weitere Galaxien entdeckte, deren Entfernung man nun schon gar nicht mehr durch irgendwelche Winkelmessungen abschätzen kann.

Man weiß aber, dass von diesen Galaxien ein immer schwächeres Licht zu uns gelangt, weil dieses auch mit dem Quadrat der Entfernung abnimmt. Man kann sogar deren Geschwindigkeit bestimmen, indem man sich deren Farbe ansieht, was der Lehrer Hans-Otto Carmesin zu einem Schülerversuch machte, den es nun gilt in richtigen Planetarien zu realisieren. Von Zeiss gibt es dazu inzwischen positive Signale (s. Kolumne „Armes Deutschland“). Ob er jedoch selbst Interesse an der Zusammenarbeit mit dem Schreiber dieser Zeilen hat oder es lieber auf eigene Faust versucht, das steht nun immer noch in den Sternen.

Wäre der Tanz der Sterne
über den Jahreslauf
nur ein Dreitausendstel
Kopernikus hätte es schon nicht mehr
bemerkt
er ist aber für den nächsten unter ihnen
nur ein Dreihunderttausendstel
mithin schwer messbar

Christian Rempel im Waltersdorfe
30.3.2014