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Kolumne KW07 „Die Erde wiegen“

Die Erde wiegen

 

Man möchte es kaum glauben, dass das geht, so ein voluminöses Ding wie die Erde zu wiegen. Auch ist die Masse der Erde ja unvorstellbar groß.

Trotzdem gelang das Wiegen der Erde schon Cavendish, diesem britischen Physiker, von dem in einer der Kolumnen schon einmal die Rede war.

Die Frage ist, wie man das erklären kann, ohne auf Formeln zurückzu­greifen. Als aufmerksamer Leser wissen Sie ja bereits, dass Cavendish die Gravitationskonstante bestimmt hat, und das mit einer Genauigkeit von einem Prozent. Das Gravitationsgesetz von Newton gibt ja an, mit welcher Kraft sich zwei Massen in einem bestimmten Abstand anziehen, wobei man natürlich im Allgemeinen sowohl den Abstand als auch die beiden Massen kennen muss und dazu noch die Gravitationskon­stante.

Wenn wir auf der Erde stehen, dann werden wir uns also einen Erdradius vom Erdmittelpunkt befinden. Wie groß dieser ist, hatte schon Eratosthenes aus Alexandria 200 Jahre vor der Zeit bestimmt. Noch lange danach waren nicht wenige der Meinung, die Erde sei eine Scheibe. Das ist insofern verständlich, als dass die Erdkrümmung tatsächlich sehr gering ist. Noch vor nicht allzu langer Zeit hat ein Optiker, der eine Fläche hergestellt hat, die sich genau an die Erdoberfläche anschmiegen würde, als hochgradig plan betrachtet. Das hat sich erst durch die Nanooptik geändert. Ein solcher Spiegel, der einen Meter im Durchmesser betragen soll, wäre gerade mal um 20 nm durchgebogen, das sind etwa 200 Atomdurchmesser.

Ein Gewicht können wir leicht hernehmen, sei es nun der berühmte Newtonsche Apfel oder sei es ein Wägestück von zum Beispiel einem kg Masse. Wenn wir dann noch die Kraft bestimmen, die die Erde darauf ausübt, haben wir alle Größen, um daraus auf die Erdmasse zu schließen, wenn wir die Gravitationskonstante kennen. Man könnte dazu einen Kraftmesser verwenden, aber eine sehr genaue Methode besteht darin, ein Pendel zu verwenden. Bei diesem kommt es dann nicht einmal auf die Masse an oder auf die Auslenkung, wenn sie nur klein genug ist. Ein solcher Versuch liefert nämlich die Erdbeschleunigung g und man kann die Kraft genau berechnen, indem man Newtons zweites Axiom verwendet, dass nämlich die Kraft F gleich ist dem Produkt aus Masse und Beschleunigung. Also F=mg.

Mit diesem Problem schlagen sich die Studenten heute immer noch im Laborpraktikum herum, wobei man feststellen muss, dass sie meistens gar nicht so genau wissen, was sie da tun. Da heißt es, diesen Versuch noch einmal unter die Lupe zu nehmen und ihn vielleicht ein bisschen verständlicher zu machen. Das wird zwar wieder mal nicht bezahlt, aber was tut man nicht alles, um den Verfall des Wissens bei den Ingenieurstudenten aufzuhalten.

Leider sind die Messwerte, die von den Studenten aufgenommen wurden, nur bedingt brauchbar und so heißt es mal wieder in der kommenden Woche, sich selbst an die Aufnahme von Messwerten zu machen.

Dann können auch wir, gut dreihundert Jahre nach Cavendish, die Erde noch einmal wiegen.

Christian Rempel im Waltersdorfe, den 15.2.2015
8.2.2015