Frühlingsbelebung
Der Frühling hat ja nicht nur Neues hervorgebracht, sondern es gibt auch schon wieder das Vergehen. Der Goldregen zeigt sich schon in Witwenweiß, die Fliederdolden sind bräunliche Gebilde geworden und von den Forsythiablüten ist schon gar nichts mehr zu sehen.
Auch der Gedichtladen in Waltersdorf wich einer familiären Umstrukturierung, die von fast allen, außer mir, mit großer Vehemenz betrieben wurde. An dessen Bestehen auf meinen Notizzetteln, dem Computer und meinem Kopf hat sich allerdings nichts geändert und auch das Finanzamt erwartet ja einen stabilen Umsatz.
Es ergab sich sogar eine gewisse Belebung, was vielleicht an der neuen Adresse liegen mag, denn Zeuthen, das sich ja zumindest mal im Dunstkreis von Fontane befunden hat und in den folgenden Jahren die Reichen und Schönen aus Berlin angelockt hat, ist viel eher eine Adresse, von der man gutbürgerliche Dichtkunst erwarten kann als von einem Dörfler.
Man wohnt hier in mehr oder weniger prunkvollen Einfamilienhäusern, die Bürgermeisterin ist mir gut bekannt und es gibt nicht wenige Doktoren oder gar Professoren unter den Bewohnern. Da schaut man nicht mehr scheel über die Hecke, wenn da jemand Verse schmiedet, das alles ist eine gestattete Beschäftigung und die Dame fließt besonders ruhig im Zeuthener See.
Den Nachbarn in Waltersdorf, dem verkehrs- und gewerbereichen, sei gesagt, dass ich ihnen natürlich verbunden bleibe, und ich wäre auch nicht weggezogen, wenn sich die Umstände nicht ein klein wenig ungünstig für mich entwickelt hätten.
Jetzt gehe ich ganz auf in den Schicksalen, die ich im Zusammenhang mit meiner dichterischen Tätigkeit in Erfahrung bringe und bei der es sich, wenn der Zeitaufwand auch hoch ist, kaum um eine Professionalität handelt, denn ein gewisser künstlerischer Anspruch kann sich ja nur entfalten, wenn man sich freimacht von Geldinteressen und sich einer Sache ganz annimmt, mit Leib und Seele. Aber diese Offenheit und gleichzeitig Diskretion ist nicht nur auf meiner Seite gefordert, sondern auch die Menschen, die zu mir kommen, können nur ein befriedigendes Ergebnis erwarten, wenn sie selbst offen sind.
Dass es auch dabei immer noch Unterschiede gibt zwischen den unterschiedlichen Provenienzen, sei nicht verhehlt.
Christian Rempel in Zeuthen, den 5.6.2016