Lange oder kurze Nächte
Sicher sind die Nächte eigentlich kurz, ganz einfach, weil die Tage ziemlich lang sind. Man gönnt sich auch wenig Schlaf, denn von drei bis vierundzwanzig Uhr sind ja jeweils drei Fußballspiele in der ersten Phase der EM zu verfolgen.
Wissenschaftler sind allerdings der Meinung, dass eine Nacht in diesen kurzen Nächten besonders lang ist, nämlich „Die lange Nacht der Wissenschaften“. Ob es so glücklich ist, dass sich da alle Forschungseinrichtungen in Berlin gleichzeitig präsentieren und man doch kaum die Chance hat, mehr als eine oder zwei zu besuchen, sei dahingestellt.
Uns hat es gestern an das Konrad Zuse Institut verschlagen, wo heute einer der modernsten Computer steht, der freilich ein Wattfraß ist. Diese Cray hat 30 Millionen gekostet und für die gleiche Summe verbraucht er im Jahr Strom. Das war nur als Gemeinschaftsinvestition von sechs nördlichen Bundesländern und Stadtstaaten möglich.
Was da eigentlich gerechnet wird, könnte man sich fragen. Man sagt, es werden aerodynamische Berechnungen durchgeführt und Berechnungen an Proteinen und der Sohn von Konrad Zuse, dem Erfinder des Computers, sagt, dass kein Auto führe und kein Flugzeug flöge ohne einen solchen Rechner. Dabei ist das vielleicht ein bisschen zu viel Optimismus, denn die anderen sechs Stromfresser dieser Bauart in Deutschland werden regelmäßig abgeschaltet, um nicht allzu viele Millionen durch die Esse zu jagen.
Der Älteste von Konrad Zuse, Horst Zuse, der nun auch schon 71 ist, hat sich ganz dem Musealen verschrieben. So hat er den legendären Z3 in seiner Wohnung nachgebaut, hat ihn dem Technikmuseum vermacht und hält allerorten Vorträge über seinen erfindungsreichen Vater, wobei er auch nicht vergisst, sich selbst ein bisschen ins Bild zu setzen. Er hat jedenfalls einen sehr unterhaltsamen Vortragsstil und wenn Sie mal Gelegenheit haben sollten, ihn zu hören, sei das wärmstens ans Herz gelegt.
Mit den modernen Entwicklungen konnte der 1995 verstorbene Konrad Zuse nicht mehr allzuviel anfangen, seine ursprüngliche Idee eines mechanischen Rechenwerks blieb nur eine Episode.
Christian Rempel in Zeuthen, den 12.6.2016