Der Gedichtladen

Gedanken aus dem Leben, für das Leben

Kolumne KW 46 2016 „Trumpismus“

Trumpismus

 

Diesmal geht ein Gespenst um, nicht mehr nur in Europa, sondern in der mächtigsten Nation der Welt. Doch wie der Kommunismus, der vor hundertfünfzig Jahren in Europa umging und in Amerika nie richtig Fuß fassen konnte, ist dieses Gespenst vielleicht gar nichts Schlechtes, auch wenn alle Intellektuellen und Künstler aufstöhnen, die ihre Weimarer Republik behalten wollten, in deren Zustand sich fast die ganze Welt befand, mit ihren Nischen für die vergnügliche Unterhaltung, ihrer Intellektualität, doch leider auch ihrem Niedergang in der Beziehung, die gesunder Menschenverstand für gegeben halten würde.

Dass es sich dabei um eine Bewegung handelt und nicht nur um eine Schlammschlacht, das wird man wohl unterschreiben müssen, denn es handelte sich ja wohl um eine Mehrheitsentscheidung. Wie viel dahinter ist, im Fahnenmeer der Stars and Stripes, den auf der Straße hüpfenden Latinos, die es gar nicht so schlecht finden, wenn von ihnen nicht allzu viele illegal nachrücken, die es satt haben, dass behauptet wird, es gäbe keine einfachen Lösungen mehr, auch wenn sie sich geradezu aufdrängen, das alles war thematisiert worden und die amerikanische Nation hat sich entschieden, in dieser Beziehung, dass man seine Sachen zu Hause erst einmal in Ordnung bringt, für diesen gesunden Menschenver­stand zu votieren.

So mächtig Amerika auch ist, handelt es sich doch nur um die Spitze des Eisbergs. Auch anderen dämmert es schon, dass viele internationale Organisationen inzwischen überaltert sind oder sich in bürokratischen Spielchen verlieren. Dass Trump uns vorwirft, dass Europa alt geworden sei, wissen wir doch im Grunde selbst ganz gut, aber hatte es einer gewagt und das Gewicht besessen es hörbar auszusprechen?

Die internationalen Interessen befanden sich in einem Gleichgewicht, das irgendwann mal erlahmen musste, und jetzt ist es wieder denkbar, dass es zu noch gewalttätigeren Auseinandersetzungen kommt. Wir wollten hier in Ruhe auf die Rente hinarbeiten oder selbige verfrühstücken und dann gibt es so ein Erdbeben. Man möchte meinen, dass das Leben wohl so ist. Wie sehr fürchten wir es eigentlich schon, dieses Leben.

Wie sehr sind wir eigentlich schon provinziell?

Christian Rempel in Zeuthen, den 9.11.2016