Von der Gründlichkeit
Was man heute in der Schule lernt und noch mehr im Leben, ist das selbstbewusste Auftreten, auch die Darlegung seiner Gedanken aus dem Stegreif. Wie wenig konnten wir uns noch zu Ostzeiten artikulieren, wie wenig war gefragt, dass sich ein Einzelner so recht in Szene setzt, geradezu verpönt war das. Doch alles Gute, wie es eine rhetorische Gewandtheit zum Beispiel ist, hat auch seine Schattenseiten. Der Selbstdarsteller kommt schnell in die Lage sich zu überschätzen, wenn das Resultat weniger zählt als die Darstellung desselben.
Immer wieder habe ich beobachten müssen, dass keiner der jungen Leute noch in der Lage ist, ein didaktisches Schema zu entwerfen, geschweige denn eine technische Zeichnung oder das Layout einer etwas aufwändigeren Leiterplatte.
Dünne Bleistifte mit geeigneten Minen, ein Reißbrett oder auch nur ein Zirkel gehören der Vergangenheit an. Das übernehmen Programme, die von Haus aus gerade Linien ziehen oder perfekte Kreise einzeichnen. Ein bisschen kann man sich also mit Recht verabschieden von den althergebrachten Mitteln, aber was man nicht im Kopf hat, bringen diese Programme auch nicht zustande. Oft kommt es bei technischen Lösungen darauf an, dass sie völlig fehlerfrei sind, sonst funktioniert die ganze Sache nicht. Das erfordert dann manchmal ermüdende und immer wieder zu erneuernde Kontrollen, sonst macht man die ganze Sache zwei- oder dreimal und wertvolle Zeit und Material gehen verloren. Gerade wenn man dann noch andere einspannt, die von der Fehlerfreiheit der Lösung ausgehen und ihr Möglichstes tun, kann man selten ein zweites oder drittes Mal zu gleichem Engagement bewegen.
Wie kann man Gründlichkeit vermitteln und wie fördern? Das geht am besten in praktischen Projekten, die zum Schluss gehen müssen.
Christian Rempel in Zeuthen, den 22.11.2016