Vom Wandern
Ist man mit dem Auto unterwegs, dann rauscht die Landschaft an einem vorbei, sodass man bei längeren Touren noch bis in die Träume hinein damit zu tun hat. Besser ist es schon mit dem Fahrrad, wenn man nicht gerade behelmt und mit Sonnenbrille durch die Gegend rast. Aber auch den gemütlicher veranlagten Radfahrer wird kein Passant ansprechen, das geht nur, wenn man zu Fuß unterwegs ist.
Eine solche Wanderung habe ich ja im Frühjahr vor fünf Jahren gemacht und manche Lebensgeschichte ist einem da erzählt worden, als ich zum Beispiel einen Rentner auf dem Rollator sitzend vor einem Altersheim angetroffen habe. Dieser hat mir von seinen früheren Lieben und seinen Knie-OPs erzählt. Oder eine über 90Jährige, die als lebendes Standbild vor ihrem Haus stand und mir dann die Reste des Eishauses in ihrem Garten zeigte, der einmal eine Gutsgärtnerei gewesen ist.
Über diese Wanderung, die man vielleicht nur einmal machen kann, und es schwierig sein könnte, wenn man sich in familiärer Bindung befindet, habe ich dann ein Buch geschrieben (Klarheit & Wahn), das aber inzwischen vergriffen ist.
Man ist ein bisschen in der Nähe des Asozialen als so ein Wandersbursche, denn es kann einem durchaus passieren, dass man mal kein Quartier findet. Das schafft man dann ohne Internet selbst nicht, und bei mir war es meine Frau, die dann immer mal die Kastanien aus dem Feuer geholt hat, sodass ich immer ein Dach für die Nacht über dem Kopf hatte.
Diese Wanderung ging bis Guben und zog sich durch touristisch ausreichend erschlossene Gebiete, wie unsere Seenlandschaft im Landkreis Dahme Spreewald, über das Schlaubetal bis hinunter nach Eisenhüttenstadt.
Sie endete nach vierzehn Tagen, wobei die Heimkehr eigentlich nur ein Zwischenstopp hatte werden sollen, aber das Schicksal hatte anderes vor, was man aus dem Buch erfahren kann.
Jedenfalls kann man sich gut vorstellen, warum bei Handwerkern auch wieder die Wanderschaft modern wird, wenn vielleicht auch das sog. Wintikum nicht mehr üblich ist. Das war nämlich ein kleines Handgeld dafür, wenn die Indienststellung durch einen Meister aus irgendwelchen Gründen abgelehnt wurde. Auch das Fechthandwerk als Pseudonym für das Betteln musste ich noch nicht zur Anwendung bringen. Wollen wir hoffen, dass solche Zeiten nicht auch noch wiederkehren.
Christian Rempel in Zeuthen, den 16.9.2017