Der Gedichtladen

Gedanken aus dem Leben, für das Leben

Kolumne KW 20 2018 „Pfingsten“

Pfingsten 

Viele wissen ja gar nicht mehr, worum es sich bei diesem Fest handelt und wird selten noch so begangen. Der Heilige Geist soll sich ergossen haben und die Jünger, die Jesus mit seiner Himmelfahrt, also am Vatertag verlassen hatte, konnten plötzlich in allen Sprachen sprechen. Immerhin ist das Wetter wirklich nach einem Festtag und gutes Essen gibt es allemal.

Für mich ist es ein Tag, Mitleid zu haben, wieder mal mit einem Literaten und mit mir selbst. Werner Bräunig, der jung verstorbene, der alkoholkranke Autor, hatte ein einziges Buch verfasst (Rummelplatz) und wollte doch so etwas wie ein Vorbild sein als ein schreibender Arbeiter, dabei legen wir heute weder auf das Schreiben noch auf das Proletentum wert, das hat sich einfach überholt, und wo Schweiß und nicht selten auch Blut geflossen war, legt sich heute der Schein der Sinnlosigkeit auf solche Bestrebungen, der Kampf scheint überflüssig, alles regelte sich zu einer ungefähren Zufriedenheit.

Wie hart in den ersten Jahren der DDR gearbeitet wurde, das zeigt Bräunig anhand der Wismut, die den sowjetischen Atomhunger stillte und zum Gleichgewicht des Schreckens beitrug, und anhand einer Papierfabrik, die mit den üblichen Materialproble­men und zusätzlich mit Repu­blik­flucht und Dirigismus zu tun hatte. Das alles kann man nachlesen bei Bräunig, aber wirklich gelungen scheint mir nur die Darstellung einer wunderbaren Liebesbeziehung zwischen zwei jungen Menschen, die beide noch keine vorher eingegangen waren, es war deren erste und tiefe Liebe, wie man sie selbst gern mal erleben würde (daher das Selbstmitleid). Trotzdem war auch diese nicht ewig, zerbrach an dem schlichten Auffassungsunterschied, ob es richtig ist, sich aus der konkreten Arbeit zurückzuziehen und Funktionärin zu werden, was sie strikt ablehnte und er aber für billig hielt.

Wenn so etwas kaputtgeht, ist man wahrscheinlich fürs Leben geschädigt. Gönnte er den beiden ihr Glück etwa nicht? Wollte er sie sich nicht sogar heiraten lassen und dann eine Scheidung inszenieren?

Man kann sich vielleicht ausdenken, was man will, Hauptsache keine Traumfabrik. Dennoch glaube ich daran, dass es so etwas gibt, wie die ewige und unbedingte Liebe.

Christian Rempel in Zeuthen, den 21.5.2018