Große Kunst
Man könnte es eben für kleine Kunst halten, wenn mit Puppen gespielt wird, aber das Puppentheaterfest in Bärenfels und Umgebung beweist das Gegenteil. Die Tendenz, als Einzeldarsteller zu agieren und so die Gagen zu begrenzen, lässt sich mit Puppentheater gut bedienen. Da werden den Kleinen schon mal die Rilkeschen Worte nahegebracht:
Wer jetzt kein Haus hat,
Baut sich keines mehr.
Wer einsam ist,
Wird lange einsam bleiben.
Man ist wirklich einsam in diesem Herbst. Die Eröffnungsveranstaltung war ausverkauft und man hat es so mit der Lockerheit, dass statt einer eloquenten Rede ein bisschen Klamauk herhalten muss. Doch dann die Aufführung der Zauberflöte, vorgeführt im Privattheater der Frau Salieri, einer Sängerin, deren Mann wohl ein großer Gegenspieler von Mozart war. Die Souffleuse übernimmt die Regie, bedient die vielen Puppen ganz allein, es ist Christiane Weidringer aus Erfurt, die sich dort selbständig gemacht hat und das kulturelle Umfeld zu nutzen weiß, denn alle Arien sind neu eingespielt, teilweise mit veränderten Texten, ganz an das Stück angepasst und die herrliche Musik überbrückt auch einige Umbaupausen. Das war kurzweilig und lustig, aber eben auch ernst und konnte einem die Tränen der Rührung in die Augen treiben, eben vielleicht sogar größere Kunst als die einfache Darstellung des Originals.
Christiane Weidringer, die einen langen Bildungsweg hinter sich hat und eigentlich aus dem Westen kommt, gibt dann noch mal ein Kinderstück, das hässliche Entlein nach dem Märchen von Christian Andersen. Leider war diese Veranstaltung dann nicht mehr ausverkauft, obwohl die Eintrittspreise sehr moderat sind.
Am Abend sah ich die Künstlerin dann noch einmal bei einer Vorstellung „Die Grimmschwestern“ vom Görlitzer Theater. Dieses Zweifrauenstück, eben vermeintlichen Schwestern von Jakob und Wilhelm Grimm, von denen eine schon als Kind gestorben war, thematisierte die Grausamkeit in den Märchen der Gebrüder, aber brachte auch viele unbekannte Aspekte dieser Märchenwelt zum Vorschein und beschränkte sich nicht auf die einschlägigen, wie Rotkäppchen und der Wolf. Ein Meisterwerk des Stückeschreibens, das profunde Kenntnisse und viele szenische Einfälle beinhaltete. Also auch ein einmaliges Erlebnis in großem Hause, dem Leitenhof in Geising, der aber leider auch nur zu einem Drittel ausverkauft war.
Christiane Weidringer mag vielleicht ihre einzige kleine Schwäche etwas bewusst geworden sein, dass ihre Ausstattungen vielleicht ein bisschen zu naturalistisch sind, dass sie versuchen die Anhaltspunkte für Schönheit zu konkret und sinnlich zu vermitteln. Das geht manchmal zu Lasten der Kreativität. Die Görlitzer Darsteller konnten da auf eine bessere Basis zurückgreifen, was auch schon bei anderen Vorstellungen deutlich geworden ist.
Richtig voll war die Vormittagsveranstaltung in Bärenstein des Berliner Theaters Fusion mit dem Titel: Wind im Gummistiefel. Das Geißlerhaus in Bärenstein bietet ein tolles Ambiente.
Das Puppenspiel läuft dem richtigen Theater in vieler Beziehung den Rang ab. Auch da will man ja immer nur noch Stücke mit möglichst wenig Darstellern haben, aber das Puppenspiel bietet da einen überdurchschnittlichen Schau–wert, quasi als Ersatz.
Das war jetzt das 14. Fest und man kann hoffen, dass diese Tradition sich fortsetzt, dass das Puppenspiel, auch als Genre für Erwachsene immer mehr Menschen entdecken mögen.
Christian Rempel in Zeuthen, den 7.10.2018
Utopia
Utopia – erster Tag
Schiff zum Weltenrand,
Seeschlange bade!
Utopia noch unerkannt.
Wo sind nur Deine Gestade?
Das GPS spinnt!
Das ist der Rand der Welt.
Novalis hier beginnt,
allein auf sich gestellt.
Du bist – ich glaub es – Utopia
Utopia – zweiter Tag
Die Einfahrt verrifft,
die Jugend, wie schade:
versoffen, bekifft,
und die Alten malade.
Werbebanner für alles,
Dudelradio und TV.
Bild eines Augiasstalles,
Geilheit auf alles was frau.
Ist nicht – nun glaub mir – Utopia
Utopia – dritter Tag
Die Jugend wehrhaft,
die Kassen gefüllt,
alle in traute Stille gehüllt.
technisch in Meisterschaft.
Ein jeder in Arbeit,
so er nicht befreit.
Für alles ist Zeit,
bis zur Unendlichkeit.
Du bist – ich glaub es – Utopia
Utopia – vierter Tag
Hoffart als wahre Natur,
Bitten zu Tode geschwiegen.
Freiheit ist`s pur,
wenn bei Huren sie liegen.
Wahl gibt es alle paar Jahr,
dass nichts anbrennt:
„Wählt, was ihr nie erkennt!“
Mitgefühl nur gegen bar.
Ist nicht – glaub ja nicht –Utopia
Utopia – heute
Des weisen Hauptes Krone,
Zierrat wem Zierrat gebührt,
die Königin nicht ohne,
das Schloss gut aufgeführt.
Und wie ich mich verneige,
kehr ich vor’m eignen Haus,
das GPS ist aus,
in Sphären schon eine Geige!
Das ist – so glaub nur – Utopia
C.R. www.gedichtladen.de 2011