Vom Gutsein
Manch einer mag gar nicht wissen, wohin mit der Liebe. Da will man es möglichst allen Menschen recht machen, aber die Reaktionen unterbleiben und die möchte man eigentlich auch gar nicht herausfordern, denn im Grunde heißt ja lieben, nichts zu erwarten. Manches könnte man vielleicht auch erstreiten, aber wenn man ein gewisses Alter erreicht hat, ist das keine Option mehr.
So hat mir meine vierte Tochter offenbar den Kontakt aufgekündigt, weil sie den phantastischen Plan hegte, nicht nur ihren Papa abzuschaffen, was sich schon in der Adoleszenz bewerkstelligen ließ, sondern mich auch als Vater, was sich ja trotz ziemlich dürftiger rechtlicher Mittel verhindern lässt, nicht weil ich gern vier Töchter behalte, sondern weil man ja weiß, wie lang das Leben sein kann und wie einen dann selbstgemachte Fehler reuen können. Selbst in dieser, einen leicht schwerverletzenden Frage, entschloss ich mich zum Nachgeben.
Eine andere Begebenheit der letzten Zeit war, dass eine große Liebe in die Brüche gegangen ist, an deren Stelle vielleicht eine noch größere, möglicherweise sogar absolute getreten war, die nur halb bewusst geworden auch schon als fast gescheitert anzusehen ist.
Das dritte ist wohl die Verpflichtung, die ich gegenüber meinem 91jährigen Vater habe, der ich mich nun schon zweieinhalb Jahre widme und es viele schöne Momente gab und gibt, andererseits man sich aber auch nicht darüber definieren kann, denn ein alter Mensch ist beileibe kein Kind und man selbst bleibt es immer, und es ist schon nicht ganz von der Hand zu weisen, dass die Handreichungen und Unterhaltung konsumiert werden und man es als eigentliche Bestimmung seiner Nachkommen ansieht, dass es einem selbst gut gänge.
Bei all diesen Unerquicklichkeiten kann sich trotzdem ein gutes Gefühl einstellen, das seinige getan zu haben, und dieses Gefühl, das ganz aus einem selbst kommt, ist dann doch eine Art Lohn, es füllt sich eben ein köstlicher Lebenskelch der dazu einlädt genossen zu werden.
Wäre nun jeder so altersmüde und konfliktscheu, es ginge viel langweiliger in der Welt zu, es gäbe kaum noch Verbrechen, aber es gäbe auch weniger drastische Geschichten, die sich vielleicht aufzuschreiben lohnen. Also sollte nur jeder so weitermachen wie bisher und kein Vorwurf sei mehr unter den Menschen.
Christian Rempel in Zeuthen, den 14.11.2018