Fehlentscheidungen
Man steht sich oft selber im Weg, wenn man dann doch ein Intellektueller ist und sich sein Bild von der Welt macht, insbesondere von den Menschen um einen selbst. Meine Tochter hatte wahrscheinlich mit Recht erwartet, dass ich um sie kämpfen würde, mit all den zweifelhaften Mitteln, die mir zu Gebote stehen. Ich habe das erst dadurch erfahren, dass ich nachgegeben habe, eingelenkt, ihren Wünschen entsprochen, von dem sich nun offenbar für sie selbst herausgestellt hat, dass es gar nicht ihr innerster Wunsch war, sondern sie erneut als Kind gewonnen sein wollte. Dass das nun nicht mehr zu ändern ist, kann man nicht einfach seinem Erfahrungsschatz zuschlagen, sondern es liegt schwer auf der Seele. Ich habe einige Zeit gebraucht, um ihre ausbleibende Reaktion zu verstehen und sie ließ mir genügend Zeit dazu. – Man ist auch das Kind seiner Kinder.
Nun steht wieder eine Entscheidung an und liegt es da nicht nahe, dass auch das eine Fehlentscheidung werden wird? Ich befinde mich ja wohl doch in einem kleinen sozialen Netz, das aus Geschwistern, Kindern und Freunden besteht, wobei letztere ja recht rar sind. Indem ich nun diese Buchstaben ins Netz stelle, das mir ja auch keine Antworten gibt, bin ich da noch einsamer als im wirklichen Leben.
Ich habe ja eine kleine Entdeckung gemacht, dass das Dienen einen sehr wichtigen Aspekt im Leben ausmacht, aber auch das ist nicht so einfach, wie es erscheinen mag. Man ist ja nicht einfach der Depp, der allen äußeren Drücken nachgibt, dafür hat man ja seinen Verstand, der einem mehr Fallen stellt als dass er nutzen würde. Es hat auch etwas von ewiger Jugend, die ja für viele so wünschenswert ist und die sie versuchen herbeizutrainieren oder sich durch verschiedenste Verzichte ihr nahezubringen.
Diese ewige Jugend wandelt mich gerade an, obwohl ich doch gar nicht danach strebte und vielmehr mich aufs beschauliche Altenteil zurückziehen wollte. Wieder so eine Paradoxie, die in meinen Leben scheinbar Urstände treiben. Diese Anwandlung ist aber nicht erreicht, weil ich es herausgefordert hätte, sondern weil ich mitten im unnötigen Treppewischen in meinem Haus in angenehmster Weise an meine Fehler gemahnt wurde, wie man sie eben nur macht, wenn man jung und unerfahren ist. Sollte man das nun begrüßen oder weiter nach der Würde des Alters streben, die meinen fast 66 Jahren angemessen wäre?
Nie hätte ich gedacht, dass man in meinem Alter von solchen Problemen heimgesucht werden könnte, dass man sich so verkalkuliert. Diese Jugendpartikel klappern wie Walnüsse im sackartigen Leib und ab und zu geht dabei eine auf und ist taub. Wie viele davon wird man in ein anderes Leben mit hinübernehmen oder scheinen einen nicht zu verlassen?
Rückblickend erscheint mir meine Lebensbahn eine nicht sehr sorgfältig geeggte Wüste und der rettende Regen, der das eine oder andere Blümchen zutage bringen könnte, kann meine Sache nicht mehr sein.
Christian Rempel in Zeuthen, den 18.11.2018