Ludwig Tieck
Dieser «König der Romantik» lebte von 1773 bis 1853 und wurde, hochberühmt, in hohem Alter aus dem sächsischen Dresden von Wilhelm IV. wieder nach Berlin, seiner Geburtsstadt geholt. Der Altmeister Goethe sah in der Romantik eine «Lazarettpoesie» und war doch vielleicht einer der wenigen Etablierten, die der Romatik noch eigenes Interesse abgewinnen konnten. Es sei daran erinnert, dass die Romantiker sich nach mittelalterlichen Verhältnissen zurücksehnten, die Aufklärung sowohl als die Reformation ablehnten, weshalb dann auch manche der Exponenten zum Katholizismus übertraten.
In einem waren sie sich aber mit der Klassik einig, in der Verehrung Shakespeares, dem «Schüttelspeer», der die Dramatik auf eine höhere Stufe gehoben hatte. Freilich vermissen wir von diesem eine «Maria Stuart», zu nahe war ihm die Macht von deren Gegenspielerin Elisabeth. Von dieser Seite wehte ihm wenig Wind entgegen, aber von Seiten der Puritaner schon, die zwar in England verfolgt wurden und viele von ihnen nach Amerika auswandern mussten, aber deren moralische und religiöse Rigorosität schon einen Stachel bilden konnten, der noch heute Aktualität besitzt. Die Frage ist, ob ein Zeitvertreib und bloße Unterhaltung ihre Berechtigung haben. Natürlich war Theater damals vorzüglich ein solcher Zeitvertreib, sowohl für die Masse als auch für müßiggängerische Adlige. Man kann sich heute fragen, wo doch fast alle ein bisschen Müßiggänger sind, ob dieses Problem nicht mal wieder aufgeworfen gehört, auch wenn man sich heute kaum noch vorstellen kann, dass dies in einem religiösen Gewande geschehen müsse.
Die Dialoge in Tiecks Shakespeare Novellen sind ausgefeilt und von kaum glaubhaftem Schliff, aber es werden weitere Fragen aufgeworfen, die heute noch von Relevanz sind. Ob nämlich die Wissenschaft noch das rechtfertigt, was man ihr als Mantel umlegt, dass sie fast als Religionsersatz und allerstrebenswertestes Ziel gilt. Wie also der Zeitvertreib infrage steht, so auch heute wieder die Wissenschaft, an der sich viel zu viele versuchen, ohne dass Adäquates zu erwarten wäre. Will man sich wirklich unterhalten, so ist das nicht mehr in dem Sinne möglich, wie es von Tieck dargestellt wird, das Erhebende, einen legitimen Zeitvertreib findet man nur noch in Büchern wie diesem. Wie fade würden wir mit unseren Politisierereien und Klagen auf hohem Niveau einem Menschen von damals erscheinen. Wo findet man noch den Freund, mit dem man solches Leid teilen könnte.
Christian Rempel in Zeuthen, den 24.3.2019