Frontmann
Der Frontmann der DDR Rockgruppe André Herzberg hat wieder mal ein Buch geschrieben (Alle Nähe fern), das so seine Eigenheiten hat und gleich seine Familiengeschichte von vor dem ersten Weltkrieg bis heute umfasst. Er stammt ja aus einer jüdischen Familie. Es gab Zeiten, da war das todeswürdig und in der anderen sog. Diktatur war es seltsamerweise gar kein Thema. Ich kann mich aus den DDR Zeiten gar nicht daran erinnern, dass man bei jemandem nachgeforscht hätte, ob er nun Jude ist oder nicht.
Den André, der sich in seinem eigenen Buch Jakob nennt, also sich mit einem alttestamentarischen Namen belegt, werden eben viele noch kennen und sich damals wahrscheinlich ebensowenig gefragt haben, ob er denn Jude sei. Er war es auch gar nicht, denn er hatte gar keine Beziehung zum Judentum, aber als dann mit der Wende alles wegbricht an vergänglichem Ruhm, den er etwas wie ein Betrunkener beschreibt, wendet er sich wieder der Religion und dem Judentum zu, lässt sich sogar beschneiden und findet darin seine Seelenruhe. Er konnte nämlich nach der Wende partout keine Arbeit finden und hatte ein ständig überzogenes Konto. Da hatte er natürlich Zeit, allen Urahnen nachzugehen. Noch sein Großvater war ein erfolgreicher Unternehmer, bis ihm dann die Nazis die Geschäftserlaubnis entzogen hatten. Große Teile der Familie überleben auf wundersame Weise den Holocaust, müssen sich aber ziemlich durchschlagen.
André wird zu einem Funktionärssohn und weiß die Vorteile ein bisschen zu nutzen, dass ihn sein Vater protegiert, auch wenn dieser harte Erziehung, beispielsweise durch die Armee für notwendig hält, wo er die Offiziere im Geheimen noch um besondere Härte im Umgang mit ihm bittet.
Doch selbst diese Vaterfigur, ein überzeugter Kommunist, wird, als ihn Alter und Krankheit ereilen, weich und hält die jüdischen Ideale plötzlich wieder hoch. So laufen Vater und Sohn in den Hafen einer rettenden Religion ein und finden wieder ein wenig zusammen.
Man weiß nicht, wie sehr das zum Vorbild dienen kann, aber dieser äußere Halt scheint nicht zu unterschätzen zu sein, wenn man anderweitig nicht mit dem Leben zurechtkommt. Ein kultureller Wert ist ja die Religion allemal.
Christian Rempel in Zeuthen, den 12.5.2019