Der Gedichtladen

Gedanken aus dem Leben, für das Leben

Geh mit Gott, aber geh

Geh mit Gott, aber geh
Morgenandacht 26.7.2020

Das Frühstück dauert bis zum Glockenläuten an, und wenn diese mich jetzt rufen wollen, so sage ich mir, dass die Kirche vielleicht in meinem Innern ist, ein Glaube an die Natur, das Universum und ein anderes Sein, in das mein Vater hinübergegangen ist, wie die weise und philosophische Frau Dr. Wilke meinte. Die Astrologin in unseren Reihen hat ein Horoskop gestellt, und es sei nur so viel verraten, als dass bewegte Zeiten vor uns stehen.
Um auf das Thema zu kommen: Geh mit Gott, aber geh, so liegt da ein Zug von Zynismus darin, den man aber bekanntermaßen auch in etwas Gutes wandeln kann. Den Gott, von dem man ja heute gemeinhin nicht mehr glaubt, dass es ihn gibt, gibt man gern mit auf den Weg, von dem man wiederum annimmt, dass er auf geradem Wege vom Acker wegführt, von dem man sich machen sollte. Hauptsache, man ist diesen Quälgeist, der einen schon vier geschlagene Wochen an der inneren Einkehr gehindert hat, endlich los. Viel schöner wäre es allerdings gewesen, wenn Josef bei seinen Geschwistern hätte bleiben können, aber er ward eben in den Brunnen geworfen, auf dass er eines natürlichen Todes sterbe, wurde aber gerettet, zwar dann als Sklave, der sich aber in Ägypten hochgearbeitet hat, um die undankbaren Geschwister dann aus der Not zu erretten. So weit die Bibel und deren Gestalter Thomas Mann.
Wenig in Betracht gezogen wird allerdings, dass Gott nicht nur ein Herrscher ist, sondern eben auch ein Diener, ganz wie er es sich von den ihm anvertrauten Seelen wünscht. Bei der Natur ist er sowohl Gebieter als auch Diener, denn manches Lebewesen oder manche Pflanze ist auf seinen Schutz angewiesen, aber der physikalischen Macht des Universums dient er uneingeschränkt, denn dies ist sein Schöpfer, eine Vater- und Muttergestalt, die nichts Persönliches mehr hat, eine Elternschaft, wie wir Sterblichen sie uns nie vorzustellen vermögen.
Gestern rettete ich zweimal je einer Pferdebremse das Leben. Sie saugte an meinem Fuß, durch die Socke hindurch und ich ließ sie gewähren, denn es tat nur ein kleines bisschen weh und Gott hat ihr keine andere Ernährungsweise zugedacht. Dennoch verscheuchte ich sie, und als sie es an einer anderen Stelle noch einmal versuchte, betäubte sie meine Verlobte mit einem sanften Klaps. Kein Tod sei um uns, und als sie wieder einigermaßen zum Leben erwacht war, trug ich sie in eine Grünanlage, aufdass sie noch ein langes und glückliches Leben habe.
Die zweite Pferdebremse begegnete uns in aussichtsloser Lage mitten auf dem See. Meine Verlobte versuchte sie zu ertränken, denn sie atmen ja interessanter Weise durch ihre Beinchen. Nach diesem aussichtslosen Kampf war ich eine Viertelstunde damit beschäftigt, sie vor mir herblasend ins Schilf zu bringen, dabei immer mal wieder auf den Rücken wendend, dass sie zu Atem kam. Als wir das Schilf erreichten, hatte die halbtote Bremse dann gerade noch die Kraft sich an einen Halm zu klammern, sodass ich sie an Land tragen konnte, allerdings nicht an der Badestelle, sondern an einer anderen. Den Weg zu unserer Decke legte ich dann zu Fuß zurück über eine Unzahl knotiger Wurzeln, die mir in die ungeübten Fußsohlen stachen, dass ich beinahe aufgeschrien hätte. Aber was war diese kleine Prüfung gegen die Erstickungsnöte, die die schöne Bremse durchlitten hatte. Jetzt denke ich, wie man den Zynismus aus dem Motto dieses Aufsatzes nehmen könnte: Flieg mit Gott, aber flieg, ich will Dich Saoirise nennen.
Amen