Ein Boot
Wir sitzen alle in einem Boot. Das kann man auf so vieles beziehen, sei es der Klimawandel, der Lokführerstreik oder eben das Forschen, das ich doch im Rahmen der Jugend forscht Bewegung praktiziere. Bei letzterem gibt es zwei Aspekte.
Es zeichnete sich ab, dass wir ein kleines Produkt, gerade mal zwei Kubikzentimeter kompakte Elektronik, herstellen könnten. Ein wirklich sehr nützliches Bauteil, das erlaubt, einen kleinen Motor in der Drehzahl und der Richtung zu steuern mittels eines Mikrocontrollers. Dazu braucht es eine zwei Quadratzentimeter kleine Platine und natürlich Vermarktungsaussichten. Die Ausschau nach solchen Möglichkeiten in Deutschland zeigt aber, dass das kaum möglich ist. Es gibt weder Hersteller preiswerter Platinen in Deutschland mehr, noch würde sich jemand bereitfinden, ein solches Produkt im Wert von sagen wir 10 Euro zu vermarkten. Wir sind nicht mehr die Macher, sondern nur noch die Tester und Krämer. Trotzdem heißt es da, nicht aufgeben.
Wo wir in der Jugend forscht Bewegung auch in einem Boot sitzen sollen, bezieht sich auf Betreuer und Juroren. Letztere müssen nicht zunächst die Frage beantworten, was sie je selbst erfunden haben, sondern sind natürlich informiert, was es alles gibt und was man noch erfinden könnte, wenn man es nicht gerade selbst muss. Die Entfremdung von der praktischen Arbeit ist so stark, dass sich aufgetretene und überwundene Schwierigkeiten dem Vorstellungsvermögen der Juroren weitgehend entziehen. Da hatte ich schon mal angeregt, dass man mehr Jugendliche in die Beurteilung von solchen Leistungen einbeziehen sollte. Das wäre auch ein Schritt, die Jugend forscht Bewegung mehr in die Hände der Jugendlichen zu legen, aber die Steuermannpositionen im Ruderkahn sind gefragt und besetzt.
Und schließlich haben Max und ich selbst ein Boot gebaut, einen Katamaran mit Schwimmkörpern und spritzwassergeschützter Elektronik, den man über Blue Tooth fernsteuern kann. Das war als Geschenk gedacht, hat aber ähnliche Reaktionen, wie bei einer Jury hervorgebracht. Man sah sich die Sache flüchtig an und hakte sie ab, obwohl mein Jugendforscher und ich drei Wochen daran gearbeitet hatten.
Also sitzen wir wirklich noch in einem Boot oder ist es angezeigt, in dynamischere Regionen, also nach Fernost auszuwandern, um in ein wirklich noch tätiges Umfeld zu kommen? Dort soll es ja teilweise schlecht stehen um die Menschenrechte, was ein bisschen bedauerlich ist. Dass es aber offenbar das hierzulande wenig vermisste Menschenrecht der schöpferischen menschlichen Arbeit garantiert, hat man weniger im Blick.
C.R. 11.8.2021