„Nur die Kunst kann den Sinn des Lebens ergründen“
ich sitze nach einem wunderbaren Traum, der mich mit Herrn Triebstein bis nach Moskau geführt hat und er sich wesentlich geschickter anstellte als ich, mir aber meine Klappererfahrungen zupass kamen und ich ihn letztlich rausgehauen habe, in der Küche im 5. Stock und sehe draußen die Fledermäuse vorbeihuschen. Nervöse Tiere sind das und wissen doch, wo ihr Zuhause ist. Dein Opa hielt die Träume mit für das schönste im Leben und von Dir weiß ich nicht mal, ob Du welche hast und Dir so viel Kraft geben wie mir und meinem Vater, dem ich doch hier, dem Himmel so nah, immer besonders verbunden bin. Du weißt noch nichts von einer Klappsmühle und was man dort alles fürs Leben lernen kann, stehst bislang nur immer mit einem Bein darin und diese Einrichtungen sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren – ein Ort, an dem man das ferne Mitgefühl seiner Nächsten erfährt und eine Lebensschule, denn heute sind die Verrückten leider auch schon verkommen und die Verwandten kommen mit sich selbst nicht mehr zurecht, als dass sie noch Empathie aufbringen könnten. Aber nicht nur meine Geschwister bräuchten einen Mediator, um den inneren Unfrieden zu überwinden, sondern ihr als das einzige Ehepaar in meiner Nachkommenschaft würdet auch einen brauchen. Ich kann immer nur zu langsam und oft falsch reagieren, um eine solche Rolle zu übernehmen. Als mir Mig sagte, ihr hättet einen 300 k Auftrag in den Sand gesetzt, war das ganz auf der Linie, Dich ein bisschen zu verkennen und ich hätte gleich korrigieren müssen, dass es sich ja nur um die Hälfte handelte und doch immerhin ein Jahressalair dabei herauskam. In anderen Punkten kann ich ihm Recht geben, dass es mit dem Haus nur geht, wenn ihr es selbst bewohnt. Ich glaube, Du hast ein bisschen Angst davor, dass Dich die Last erdrücken könnte, die ja durchaus auf diesem Haus auch liegt. Da ist Omas Freitod und die Geschichte mit dem ungeklärten Nazibauvorhaben. Beides aber Dinge, die wir aufheben können, denn das Lebensglück, die Gastlichkeit und die Freude am Schaffen waren da ebensogut vorhanden und ich versichere Dir, dass es auch nur die Angst der Geschwister ist, die ihr Handeln diktiert, was man auch wohlwollend als Vorsicht benennen könnte, denn sie stehen entweder sehr unter dem Einfluss der Ehepartner, bei denen man sein Kindheitsleid gut ausschütten kann, oder unter der Angst vor Krankheit oder sind abergläubisch wie meine jüngste Schwester.
Wenn es doch mal zum Gespräch zwischen uns dreien kommt, werde ich versuchen Widerspruch nicht auszuweichen, denn meine Harmoniebedürftigkeit ist meine Art von Feigheit und ich bin ja auch in gewisser Weise lebensfremd bzw. nicht smalltalkfähig.
Am besten ich fange mal bei uns an. Katja, die mir diese drei verschiedenen und wunderbaren Töchter geschenkt hat, was ich über die viele Arbeit, meine Sexsucht und die mangelnde Reife nicht weiter wahrgenommen und geschätzt hatte, ist noch nicht wieder so offen und hat vielleicht auch immer noch nicht das Verständnis, was Leistung für unsereins bedeutet hat und wir eben auch nichts anderes kannten oder für wert hielten, obgleich sie doch aus ähnlichem Milieu kam.
Kathrin, die mir die wirkliche, aber ihr in manchem nachfolgende Friederike schenkte, die ich aus der Klemme holte als ich selbst am Boden war und die die einzige Frau in meinem Leben in gewisser Beziehung blieb und naturgemäß nur mit großem Abstand zu dieser Leidenschaft weiteres Leben möglich scheint.
Andrea, die mir zwei fremde Söhne schenkte, die lieber für sich sind, von mir nichts lernen können und mehr der Mutter zuneigen, die in ihrer Flüchtigkeit schon mal sagte, sie habe keine Söhne mehr und dafür jetzt keinen Ex mehr hat.
Doreens Lebensentwurf scheint dem meinen überlegen. Sie ist von vornherein gesunde Egoistin und macht wie fast die ganze Familie aus ihren Krankheiten eine Inszenierung. Da weiß man noch nicht genau, was mich das lehren wird. Jedenfalls kann ich keinerlei Hilfe oder Wahrnehmung in der Leistungsrichtung oder meinen Reimeraktivitäten erwarten, wo mir nur der Ausweg bleibt, eben auch ein bisschen egoistisch zu werden und mir selbst zu genügen.
Du bist meiner Mutter sehr ähnlich, aber noch einen Tick unordentlicher, was mein Erbteil ist, denn ich kann auf den Tod nicht die Zeit dem Aufräumen opfern und schaue in dieser Beziehung zu D. auf. Auch das Temperament hast Du von mir und das Talent im Zorn mit dem Po alles einzureißen, was Du aufgebaut hast, aber auch das kann nützlich sein, denn manches gehört eingerissen. Durch des blonden Opas Erbteil ist viel mehr Intellektualutät in Dich geflossen als es die Emporkommlingrempels je hatten, obwohl er doch selbst auch einer war, aber dies sein ganzes Leben ehrlicher und ganz für sich bekämpfte. Ich bin immer skeptisch gegenüber der Intellektualutät geblieben und war eher ein Handwerker und liebe diese Leute heute noch mehr als die Möchtegerns. Mir ist das jetzt ein bisschen verlorengegangen und kann es mir nur noch punktuell abtrotzen. Aber in der Kunst halte ich das für das wichtigste und die heutigen Ideen wie Frisiersalon Novalis treten für mich hinter Deinen Makroring zurück. Kunst ist kein Brainstorming, sondern in erster Linie handwerkliches Können und Einfühlungsvermögen, was Du beides hast und Du hast einen Sinn für das bisschen, was ich da noch zustande bringe.
Von seinem Lebenspartner sollte man immer sehen, was man von ihm lernen kann. Katja vermisste das URVERTRAUEN zu mir, was wohl auch eine Angstform ist und die wollten wir ja überwinden.
Mig will ich jetzt nicht abhandeln, das sage ich ihm nach reiflicher Überlegung mal selbst, aber er kann auf jeden Fall gastfreundlich sein, helfen und versucht sich als Mann zu behaupten. Die Ideen sind mir auch verwandt – immer voller Projekte und mit Familiensinn. Und das wichtigste ist nur mehr eine Hoffnung – dass er Dich liebt. Auf Händen tragen muss man sich nach vier Jahren Ehe nicht mehr und sich nicht mehr vergöttern, aber dem anderen die Luft zum Atmen und Freiraum zu lassen, sollte schon noch klappen. Und dass Deine wunderbaren Kinder ihre Mutter achten und lieben – das könnte man fast ins Pionierbuch schreiben. Du bist in der Handwerkerstadt gut aufgehoben und hast Deine BewunderInnen. Das mit Zeuthen wäre dann schon fast Berlin und wer weiß – ich glaube das ist eine Kunstwüste und schon Kleist, der in Frankfurt gelernt hatte, dass in Preußen Mal das Urmeer war, sagte wohl so was, das sei eine Gegend für Seeigel und Walfische. Princess Neunmalklug würde das nicht weiter erwägen und neunmalklug feststellen: Wale sind keine Fische. Wie dieser Geisteswissenschaftler Burkhard: wir sind nicht in der Epoche des Wassermanns.
Herzliche Dein Wassermannpapa in Gedanken und nach drei Stunden Tippen reif zum Zähneputzen