Oh König Johann
Fast auf den Tag ist er 150 Jahre tot. Sein Anwesen in Jahnishausen ein Ort der Erinnerungen an die Segnungen einer Monarchie, dabei hatten die Monarchen es schwer und hielten es für unter ihrer Würde, den Kontakt zum Volk zu halten. Mit Blick auf die polnische Krone waren sie katholisch, wo doch ganz Sachsen eher der Reformation zuneigte und so führten sie ihre Prozessionen, abgeschieden von der Öffentlichkeit in der Hofkirche durch, statt durch die Straßen Dresdens zu ziehen. Trotzdem kommt in Sachsen Sehnsucht nach der Monarchie auf, und an einem der Tage, den die UnDichter aus aller Herren Länder in Jahnishausen weilten, wurde gerade wieder des weisen Königs Johann im Schlosspark gedacht. Das Programm brachte es auf etwa eine Stunde und konnte ohne großen Verlust vorzeitig abgebrochen werden.
Zweieinhalb Stunden hatte dagegen die Vereinsdemokratie gebraucht und wurde von den beiden Gästen, die ich mitgebracht hatte, als etwas ätzend empfunden. Dass der eine das und der andere jenes möchte, liegt in der Natur unserer individualisierten Gesellschaft, in der man sich nur schlecht damit abfinden kann, wenn etwas nicht genau nach eigenem Gusto ist, und Gestaltung soll dann heißen, dass in Streitfragen die Hände zur Abstimmung gehoben werden.
Der Vorsitzende fürchtet sich vor dem Label Vereinsstalin zu sein, der doch pflegte, pfeiferauchend vor seinem parlierenden Parlament auf und abzuschreiten, doch wenn er die Pfeife mal aus dem Mund nahm, verstummte der aktuelle Redner und mit ihm der ganze Saal, denn es war immer etwas Wesentliches zu erwarten. Es ist aus der Mode gekommen, Persönlichkeiten zu verehren, und irgendwie sind die Persönlichkeiten auch nicht mehr danach. Warum sollten wir nicht wieder daran denken, Duodezfürsten zu küren, denen man bis zu einer Revolte erst mal freie Hand lässt.
Dass nun keiner mehr danach strebt oder es sich nicht eingesteht, ein solcher Duodezfürst, also ein Herrscher über ein begrenztes Zwergenreich oder nur eine Sache zu sein, darin liegt ein großer Verlust an Effizienz und letztlich gehen da auch die Farben verloren. Es gibt wohl kaum Beispiele, dass je Kunstwerke oder auch nur ordentliche Arbeit aus einer Situation hervorgegangen wären, wo man dem Schöpfer nicht freie Hand ließ. Freilich war Michelangelo vom Papst geknechtet, aber der wird ihm die Sixtinische Kapelle nicht vorgenmalt haben, sondern so recht und schlecht damit zufrieden gewesen sein, was alle Welt noch heute bewundert.
Wir haben leider durch die Wirrungen der Demokratie verabsäumt, solche Personen heranzubilden, doch wenn man Stalin da ruhig mal einbeziehen möchte, so hatte er eben ein natürliches und durch Klassenkampf gestähltes Talent dazu, das sogar noch fünf Jahre nach seinem Tod weiterwirkte. Wie das andere Autokraten, vor denen wir noch mehr Angst haben, geschafft haben, möchte ich gern der selbständigen Überlegung des Lesers überlassen.
Das alles hat jedenfalls in dramatisch kurzen Zeiten zu beachtlichen Effekten geführt, wenn man an das Leninzitat denkt: Kommunismus ist Sowjetmacht plus Elekrifizierung, aus der unsere Herrschenden wegen ein bisschen schädlicher Nebeneffekte am liebsten aussteigen würden.
Die UnDichter müssen erst mal nicht fürchten, dass bei ihnen das Licht ausgeht oder dass sie die Ration Spagetti beim Vereinsmahl nicht mehr bezahlen können, aber sie könnte man vielleicht für ein Spiel gewinnen. Sagte doch Schiller schon. Es ist der Mensch, so er spielt. Wir könnten also mal Monarchie spielen und Lars zu unserem Duodezfürsten küren, dessen Willkür und Geschmack man sich unterwirft und ihm Anerkennung für seine ehrliche Besorgnis um das Gedeihen des Vereins zollt. Natürlich könnte man im Geheimen auch seine Witze darüber reißen und vielleicht manches anonyme Flugblatt verfassen. Er müsste ebenso spielerisch die Furcht vor dem Label Vereinsstalin ablegen, was doch eine der geringsten seiner Übungen darstellen dürfte. Wie schnell wäre alles entschieden und an seinem Hofe würden die wahren Kunstwerke gelobt und die schlechten verworfen, wozu man sich ja durchaus mit seinen Untertanen beraten könnte. Drei oder vier Gewas, wie schnell wäre das dann entschieden, wie könnte man sich in seiner Gunst sonnen, wenn einem mal etwas gelungen ist. Wie könnte man subversive Gedanken hegen und Freundschaften unter den Untertanen knüpfen. Was wäre das für ein Leben am Hofe EITELKUNST. Nach zweiunddreißig Jahren Schlittern durch alle Untiefen der Vereinsdemokratie, und man hat ja auch als Monarch ein bisschen Rücksichten zu nehmen, haben wir uns und Lars dieses Spiel ehrlich verdient und würden natürlich nach außen, durch jährliche Wahlen, die schon aus Notarkostengründen immer gleich ausgehen werden, unser Mäntelchen umbehalten.
Wenn euch das gefallen könnte, so beginnen wir am besten damit, ihn mit seine HOheit anzusprechen, auf dass er die weiteren Rollen verteile.
C.R. zu Zeuthen als Jahnishausenreminiszenz, den 27.8.2023