Die Vergessenskultur wider die Intellektualität
Immer wieder kommen mir Beispiele in den Sinn, wo sich die Intellektualität selbst ein Bein stellt, was mich zu einer tiefen Skepsis ihr gegenüber veranlasst. Nicht dass ich nicht selbst von der Krankheit befallen wäre, den Wald vor Bäumen meistens nicht zu sehen. Man darf den Capriolen des Geistes nicht gleich vertrauen und oft sind es die Menschen, denen scheinbar weniger Geisteskraft gegeben ist, die sich dann doch als geistig gesünder erweisen.
Hat man viel Wissen angehäuft oder stürzt es auf einen ein und illuminiert auch so recht als neue Erkenntnis, so gibt es immer beliebig viele Menschen, die da nicht folgen können, und wenn sie empathisch sein sollten zur Gesundung der von Intellektualität Erkrankten beitragen.
So hatte Riemann, dieser erstaunliche Mathematiker gerade mal 3 bis 6 Hörer, was um so fataler war, da sich das Gehalt danach bemaß. Die ostdeutschen Kommunisten hielten es im Dezember 1989 für die vordringlichste Aufgabe mit dem Stalinismus abzurechnen und möglichst zu diesem, zugegeben großen Makel eine Position zu finden, wobei Otto Normalverbraucher das völlig schnuppe war und das schon immer gewußt hatte. Mir selbst begegnet das immer wieder, wenn ich phantastische technische Pläne schmiede, alles für bedacht halte und schon in Erfolgen schwelge, die mein gebrechlichen Geist antizipiert und es dann an den einfachsten Voraussetzungen fehlt, die man leicht erst mal hätte testen können.
Die größten Entdeckungen basieren auf sehr einfachen Gedanken, die oft gar nicht mitgeteilt werden, wenn man keinen persönlichen Kontakt zu der entsprechenden Geistesgröße hat und diese nicht als sehr irdisch erlebt. Schriftlich werden die Sachen dann meistens so dargestellt, dass meistens der ganze mathematische Formalismus darauf losgelassen wurde, man die Sache so unverständlich wie möglich rüberbringt, auf dass man so recht Ehrfurcht habe vor der Wissenschaftlichkeit.
Intellektualität als Totschlagargument, Du weißt nicht halb so viel wie ich und kannst gar nicht mitreden, wie oft erlebt man das. Doch wenn es richtig sein sollte, dass wir als Menschheit Diener der Natur zu sein haben, sollte man sich auch als Diener der anderen sehen, die in ihrer Gesamtheit und Vielheit sich eigentlich einer Aufgabe verschreiben sollten, der Natur zur Erreichung ihres Ziels zu verhelfen. Relativiert das nicht alle Auseinandersetzungen unter den Menschen und anerkennt man dadurch nicht sogar die Rolle eines Feindes, der doch niemand mehr ist, heute – und durch und durch.
C. R. zu Zeuthen, 2.4.23