Novalis als Politiker
Vor gut zweihundert Jahren packte die Dichter und Denker die Wehmut über vergangene schönere und glänzendere Zeiten, wo Europa noch in glücklicher Verfassung war, weil christlich und klug regiert. Das war die Zeit der Romantik, und gerade die Frühromantiker wie Novalis, die Gebrüder Schlegel, Schelling und der Physiker Ritter waren auch von unbändigem Optimismus beseelt, dass noch was besseres als diese Vorzeiten, das Goldene Zeitalter heraufziehen würde. Dazu sahen sie als Voraussetzung die Überwindung des Schismas der christlichen Kirche und politische Verhältnisse, in denen jeder seinem Tagwerk heiter nachgehen kann.
Dieses Ideal ist bis heute nicht Wirklichkeit geworden und der damalige Optimismus scheint aufgegeben. Nur die Astrologen halten dabei je und je die Zeit für Zeitenwenden für gekommen.
Was nun hat man im Neunzehnten Jahrhundert und bis heute übersehen, dass es noch nicht zur Entfaltung des Goldenen Zeitalters gekommen ist?
Dass Novalis reklamiert EINER sollte herrschen und eine Zunft von mehr oder weniger himmlischen Gestalten, geht wohl auch auf die Griechen zurück, die ihre Demokratie noch hinterfragten, wie dann auch die Römer. Heute ist es nicht mehr in Mode, das zu tun.
Aber ein Kernsatz sticht heraus, der auch kein Pendant mehr in der aktuellen Gesellschaft hat, was ich wieder bei Novalis unterschreiben würde:
„Es ist unmöglich, dass weltliche Kräfte sich selbst ins Gleichgewicht setzen, ein drittes Element, das weltlich und überirdisch
zugleich ist, kann allein diese Aufgabe lösen.“
Das überirdische ist uns doch glatt abhanden gekommen und wo es nur noch suchen, wenn man es für unabdingbar hält?
In dieser Suche werden Sie mich, wie überhaupt, allein lassen. Was geht es mich an, werden Sie sagen, und meine Kräfte sind am versiegen. Wir sind in der Mühle auf dem Strom des sog. Zufalls, die weder Baumeister noch Müller hat.
CER 21.7.24