Der Gedichtladen

Gedanken aus dem Leben, für das Leben

Retrospektive

Retrospektive: Tagung der Schülerforschungszentren (SFZ) Hamburg 25./26.4.22 – ein Reisebereicht

Endlich wieder treffen, zwar mit Masken und täglichen Tests, aber mal wieder Gesichter sehen und anregende Gespräche führen. Der Ort der Tagung, Mümmelmannsberg, gehört wohl eher zu den problematischen Stadtteilen Hamburgs, wo man sich fühlt wie ein Tourist in einem fernen Land. Dem versucht man mit einem milliardenschweren Bildungszentrum (Mintarium) abzuhelfen, das erst vor zwei Jahren, zum Pandemiebeginn, fertig wurde. Großzügige Laborraumfluchten mit einer Grundausstattung stehen zur Verfügung und oben auf dem Dach thront eine Belüftungsanlage von der Größe eines mittleren Kriegsschiffes. Die zum Bildungszentrum gehörige Gesamtschule entsendet sog. „Abgeordnete“, Lehrer, die ein oder zwei Arbeitstage pro Woche im Mintarium zubringen und Projekte betreuen. Die meisten Tagungsteilnehmer berichten von einem Weggebrochensein der 13 bis 15Jährigen. Diese Schüler seien schwer zu gewinnen, da Aufholung des Schulstoffs und das Erreichen passabler Zensuren im Vordergrund stünden. Fast ungenannt bleibt das Problem, dass man durch das lange Zuhausebleiben auch mehr Gaming betrieb, was nicht viel mehr als die pure Unterhaltung zu sein scheint. Wir in Zeuthen erreichen diese Altersgruppe noch, weil wir ein Wahlpflichtfach Junior Ingenieur Akademie, kurz JIA haben. Das ist eine einmalige Kombination bundesweit: ein SFZ und einen JIA Kurs, die wir beide vor allem Herrn Sawal und Herrn Stahl zu verdanken haben. Dennoch sind wir mit unserem SFZ wohl einigermaßen abgeschlagen, auch weil wir kaum Unterstützung durch höhere Stellen haben erwirken können.

Andere Schülerforschungszentren (allein Thüringen hat 10 und Brandenburg nur unseres) haben einen hohen Grad an Selbständigkeit, was wir auch für richtig halten. Die SFZ Arbeit soll sich vom Unterricht unterscheiden und Freude machen. Manche SFZ sind als Vereine und manche als GmbHs organisiert. Als Anregung habe ich auch mitgenommen, dass andere SFZ mehr für die Lehrerbildung tun, woran man sich ein Beispiel nehmen kann. Das Zauberwort, das Lehrer bewegen könnte, auch eine Gegenleistung zu sehen, heißt: INDIVIDUALFÖRDERUNG. Man kennt es ja noch von den zwischenzeitlich fast eingeschlafenen AGs, dass da mindestens 15 Schüler durch einen AG Leiter betreut werden sollten. Das Leben hat das anders entschieden und im SFZ Hamburg verzeichnen wir jetzt einen Schlüssel von 1:5. 150 Schüler werden von 32 Mitarbeitern betreut. Es ist als gGmbH organisiert und wird von fünf Finanziers getragen, wobei den Hauptteil die Stadt Hamburg trägt. Die benachbarte Universität Hamburg bewerkstelligte die Sanierung und Einrichtung der Räumlichkeiten. Und noch etwas sei angemerkt. Der Star des SFZ Hamburg, eine jetzt 20 Jahre junge Frau, die seit der 8. Klasse forscht und voriges Jahr den zweiten Platz im Bundeswettbewerb belegte und jetzt Physik studiert, hätte beinahe kein Gymnasium besucht, weil sie LRS hatte. Sie hat sich regelrecht durchgekämpft zu dem, was sie jetzt ist, und hat ein nichtgiftiges Kontrastmittel für MRT Aufnahmen entwickelt. Es sind immer die W (Wühler beiderlei Geschlechts, Lehrer sprechen von SuS), die die Sachen voranbringen und von denen wir an unserer Schule nicht mal in jedem Jahrgang einen haben. Was die Projekte anbelangt, so geht es auch am SFZ Hamburg recht irdisch zu. Von einer warnenden Türklinke bis zu verschiedenen Autorennbahnen ist alles vertreten, was potenziell Spaß macht.

An dieser Stelle sei noch mal erwähnt, dass wir schon beide Konstellationen hatten: auf allen Gebieten ausgezeichnete Schüler wie Niklas Rosin und eben ausgesprochene Wühler, denen technisch kaum jemand das Wasser reichen kann, wie Max Kühn. Vor allem ist es ja der Traum jedes Betreuers dass Jugendforscher aus eigenem Antrieb handeln und selbst Themen vorschlagen. Da haben wir das aktuelle Ereignis, dass Jakob Zophel aus der 10. Klassenstufe einen zweiten Platz beim Landeswettbewerb Jugend forscht belegte und alles auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz sehr eigenständig erarbeitet hat. Dazu sei ihm hier noch einmal gratuliert. Darüber hinaus ein Team um Florian Wentzel, die sich um O Busse bemühen.

Die Workshops auf der Tagung drehen sich immer ein bisschen sehr um die „Rolle der Bedeutung“, was schwer zu verkraften ist, wenn man praktische Arbeit gewohnt ist, da entsinne ich mich der Versuchsbecken in der Schiffbauerwerkstatt und schreibe auf gut Glück einen kleinen Brief an einen der Akteure, der ihn binnnen weniger Minuten erreicht und schon sind wir mitten in einer Werkstatt, in der es wirklich mal nach Arbeit aussieht. Christoph Büchler ist auch so ein junger, für einen Wochenarbeitstag abgeordneter Lehrer und zeigt mir die verschiedenen Technologien der Schiffsrumpfherstellung für die Modelle. Wir hatten just for fun im Vorjahr auch einen Katamaran gebaut mit Bluetooth Steuerung, den wir allerdings nur in der Badewanne haben erproben können. Das Versuchsbecken auf dem Mümmelmannsberg ist etwa sechs mal drei Meter und es entsteht gleich so etwas, was man hochtrabend Synergieeffekt nennt, denn wir erfahren von einem freien Programm, das das Design von Schiffsrümpfen erlaubt (DELFTSHIP). So schön der 3D Druck auch ist, erfordert er als Voraussetzung sog. stl-files, die man mit Konstruktionsprogrammen erstellen muss, worauf dann ein Knopfdruck genügt, um das Modell zu drucken. Wir haben von unserer Gemeinde auch so einen 3D Drucker (Renkforce 2000) und können damit arbeiten.

Als Resümee kann man feststellen, dass wir durchaus Voraussetzungen haben, Schüler an die Forschung heranzuführen, aber es fehlt uns nicht nur an einer ausreichenden Finanzierung, sondern vor allem an personellen Voraussetzungen, um einen Betreuungsschlüssel von 1:5 zu erreichen. Eine Anfrage an das Kultusministerium Brandenburg blieb bisher unbeantwortet, denn die Abordnung interessierter Lehrer wäre dessen Obliegenheit. Wir versuchen jetzt auch durch eine Schülerfirma (www.beerlecada.com) das Interesse der WuW zu steigern. Es liegt auch viel Verantwortung bei den Eltern und wir werden auch versuchen, auf diesem Wege mehr zu erreichen.

Dr. Christian Rempel
Leiter des Schülerforschungszentrums Zeuthen