Der Gedichtladen

Gedanken aus dem Leben, für das Leben

Kolumne KW02

Zwischen den Jahren

 

Man bildet sich immer ein, dass man in einer freien Zeit als freies Wesen so richtig viel schaffen kann. Eine solche Zeit ist sicher die eine Woche zwischen den Jahren. Da könnte ich doch wieder ein paar Physikvorlesungen schreiben, denkt das freie Wesen, das nun mal nicht verpflichtet ist, sie auch gleich am nächsten Tag zu halten, sondern erst eine Woche später.

Da ich gerne denke, bin ich eher für wenige Experimente und die dann eben richtig bis zum Ende durchdacht. Andere schütten ein ganzes Füllhorn von Aufgaben über die Studenten aus. Es ist ja klar, dass in den vielen Jahrzehnten, seitdem es modernen Unterricht gibt, sich auch eine Vielzahl von Beispielen angesammelt hat. Ein gelungener Dressurakt ist wohl, wenn der Student dieses Potpourri dann willig zwischen die Zähne nimmt, alles fachgerecht zerkaut und die Lösungen wieder ausspuckt.


Wenn Du ein Schiff bauen willst, sagt Antoine de Saint Exupery, so trommle nicht Männer zusammen um Holz zu beschaffen, Werkzeuge vorzubereiten, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Menschen die Sehnsucht nach dem weiten endlosen Meer. Das ist auch das Ideal, das einem bei den Studenten vorschwebt. Wie viele wirken nicht daran mit, dass es zu gar keinen anderen Träumen mehr kommt, als zu Angstträumen, dass man nicht bestehen könnte. Wozu aber will man bestehen? Um keiner minderwertigen und schlechtbezahlten Arbeit nachgehen zu müssen.

Würde nun jede Arbeit gleich bezahlt, würde viel an Fehlmotivation verschwinden, aber Leute, die auf wilde Triebkräfte setzen und an ein unsichtbares Händchen glauben, würden den Untergang für programmiert halten.

Der Charme der Sache, in diesem Fall der Physik, ist es sicher auch nicht, der fasziniert. Ingenieure, die an der HTW in Berlin ausgebildet werden, sollen Formeln kennen, Zahlen einsetzen können und sich über das Wesen der Dinge keine unnötigen Gedanken machen. Aber gibt es denn nicht auch Ingenieure, die schöngeistige Bücher lesen, die in Konzerte gehen und durchaus zwischen Unwesentlichem und Wesentlichen unterscheiden können?

Meine fast sechzigjährige Lebenserfahrung sagt mir, dass man auf das Wecken von Träumen wenig hoffen kann und es doch keine andere Hoffnung gibt. Das Träumen steht auch nicht hoch im Kurs und wer noch träumt, wird sich hüten, das mitzuteilen.

Das Meer sei endlos, sagen Sie?
da scheint es besser, man bleibt hie.
Bekanntschaft mit den Ungeheuern,
zuletzt zerrissen von den Geiern,
das können Sie gern praktizieren,
ich will mein Leben nicht verlieren.

Sie fragen, was der Welt ich will,
im Trocknen sitzen in der Still,
durch Geld und Gut durch alle Sorgen!
Ihr Schiff, mein Herr, das baun wir morgen.

So liegt es lange schon auf Kiel,
der Meister hofft, er hofft zu viel.
Nun meint er gar, der Schüler fände
zu lesen besser und füllt Bände.

 

Wie schafft man es, dass Studenten ihre Hausaufgaben machen? Vielleicht hilft diese Glosse?

 

Im Waltersdorfe 8.1.2012