Der Gedichtladen

Gedanken aus dem Leben, für das Leben

Kolumne KW03 / KW04

Der Weltraumfahrstuhl – ein freundliches Band umschlingt die Erde

 

„Der Plan klingt verrückt, aber die NASA meint es ernst: Sie plant einen Weltraum-Lift. Fehlt nur noch das Seil.“ So titelte die Welt noch vor zwei Jahren und wenn man heute fernsieht, dann kann man schon die ersten Funktionsmuster bewundern.
Ich hätte das gar nicht bemerkt, aber am Mittwoch kam ein Student zu mir und meinte, ob denn das überhaupt geht. Es gäbe doch die Corioliskraft. Dabei macht man sich weniger Gedanken, ob man sich auf ein ca. 100 000 km langes Band verlas­sen sollte, das eigentlich schon unter dem Eigengewicht reißen könnte, sondern eben, ob man einer typischen Ente, wie sie täglich unsere Feuilletongesellschaft hervorbringt, aufsitzt oder nicht.
Andere scheint das gleich gar nicht zu interessieren und eine als seriös voraus­zusetzende Quelle, die deutsche Raum­fahrt­gesellschaft witzelt vorsichtshalber ein bisschen herum, weil es doch Humbug sein könnte. Immerhin gibt es das Szenario, dass das Band von einem Werk auf der geostationären Bahn (ungefähr 36 000 km über Meeresspiegel) herabgelassen werden soll. Man stelle sich vor, dass 1 kg in den Weltraum zu befördern ungefähr 15 000 Dollar kostet, das Seil allein aber ca. 200 000 Tonnen wiegt. Allein dafür müsste man doch dann schon 3 Billionen Dollar berappen. Da könnte man dann freilich 10 Jahre lang keine Kriege mehr führen, wollte man das Geld zusammensparen. Immerhin eine erfreuliche Aussicht.
Kostenmäßig winkt man aber mit schlappen 25 Mrd. Dollar. Hat man natürlich einmal einen Fahrstuhl gebaut, könnte man unent­wegt neues Bandmaterial herauf­schaffen, wenn denn der Fahrstuhl nur funktionieren würde.
Aber die Kosten sollen es gar nicht unbe­dingt sein, denn jeder weiß, dass die gewöhnlichen Kriege schon teurer sind
Viel deprimierender ist, dass in einem Land, in dem Kepler einmal geboren wur­de, man ihn auch schon fast vergessen hat. Physikboards, die sich vorsichtig über das Projekt austauschen, orakeln zwar noch ein bisschen: „Denk an Keppler“, wo­bei man schon nicht mehr so genau weiß, wie sich der denn schrieb, aber Anfassba­res kann man in der Feuilletongesellschaft auch von ihnen nicht mehr erwarten.
Dabei kann man schon mit dem verschrienen Hausfrauenprogram Excel mal die Probe aufs Exempel machen. Man positioniere eine Han­tel, deren Massenabstand die Schwerpunkte der beiden Seilenden symbolisieren genau senkrecht über der Erde mit den erforder­lichen Geschwindigkeiten. Das wäre ein ein­faches Modell des Bauwerkes kurz vor der Fertigstellung und vor Verankerung auf der Erde. Nicht einen Tag überlebt diese Konstel­lation, das Äußerste kehrt sich nach innen, das Ge­gen­gewicht schlägt mit beträchtlicher Ge­schwindigkeit auf der Erde ein und wir hätten mal wieder nicht mehr gekonnt, als eine kleine Umweltkatastrophe zu produzieren.
Dieses grobe Modell besagt natürlich noch nicht allzu viel, aber auch ein kontinuierliches Band hätte eben eine ungünstige energetische Bilanz. Im aufgerichteten Zustand hat es eine Energie, die etwa 1 Petajoule höher ist gegenüber der wahrscheinlicheren Lage des Bandes ringförmig um die Erde. Nun sind wir es hier auf der Erde gewohnt, dass Körper den Zustand niedrigster potenzieller Energie annehmen, wie ein herunterfallender Stein leicht beweist. Bei den Keplerschen Körpern ist das allerdings nicht so. Die Energie schwankt einfach zwischen kinetischer und potenzieller und die Summe bleibt konstant. Die Himmelskörper fallen also nicht einfach herunter indem sie sich der Erde immer weiter annähern, sondern entfernen sich auch wieder. Aber das gilt eben nur so lange, wie sie als einfache Punkte zu betrach­ten sind.
Wir müssen wohl zugeben, dass wir auch we­nig Erfahrung mit dieser neuen Situation ha­ben, dass ein Körper, und ein elastischer dazu, kosmische Dimensionen hat. Mit unseren be­scheidenen Mitteln eines Rechners, der jeder Hausfrau zur Verfügung steht, können wir im­merhin feststellen, dass eine erhebliche Span­nung auf dem Himmelsseil zu verzeichnen ist (sonst könnte es ja auch beliebig dünn sein). Das Seil ist natürlich bestrebt, einem solchen Zug auszuweichen, was einfach dadurch bewerkstelligt werden kann, wenn es zum Beispiel einfach auf der geostationären Bahn bleibt und dort mit unserer gedachten Fabrik im gemütlichen Zustand der Schwerelosigkeit um die Erde kreist.

Statt zehn Jahre Kriege,
ein Band um die Welt.
Wenn ich nicht ganz schief liege,
hat`s die NASA genau darauf abgestellt.
Die Feuilletonisten hierzulande, sind bei weitem zu schlau,
sie preisen ein Bauwerk, den gewaltigsten Bau.

Doch wir bleiben beim kleinen,
bescheid’nen Verstand,
und preisen ganz heimlich
das friedliche Band.

Im Waltersdorfe 20.1.2012