In der Wilhelm Pieck Stadt
1876 wurde in Guben Wilhelm Pieck, der erste Präsident der DDR, geboren und das war auch ein Schicksalsjahr für den Verkaufsschlager des wasserfesten Filzhutes der Firma Wilke.
Heute trägt den nur noch der umstrittene Gunther von Hagen, der seinen Namen wohl aus der Nibelungensage zusammengeklaubt hat und dessen pietätsloses Gewerbe man am besten ignoriert.
Als wir von der Berliner Straße kommend, in die Frankfurter übergehen, sehen wir eine schöne Villa linkerhand mit den Initialen PS und wissen noch nicht, dass auch diese nicht zu knapp zur Stadtgeschichte gehören („PS: ich liebe Dich“?). Dann blickt man auf der rechten Seite an einer kleinen Kirche vorbei auf ein Fabrikgebäude, das die Hutfabrik war mit den schön gestalteten Lüftungshauben der Färberei.
Dann kommt von links ein Bach mit einem Weg daneben, der den romantischen Namen Poetensteig trägt (warum?). In der Touristinformation erhoffen wir Aufklärung, werden aber mit einer anderen Tochter der Stadt bekannt, die dort etwas crude als Maitresse Goethes verkürzt wird. Es handelt sich um Corona Schröter, einer begnadeten Schauspielerin in Weimar, die in Guben beheimatet war und in die der Meister sicher verliebt war.
Ich kann mir den Vornamen nicht richtig merken und verwechsle ihn immer wieder mit Corinna, der ich einiges zu verdanken habe. Nur dass Goethe leider die Corona mehr oder weniger fallen ließ, ihr aber ein wunderbares Verehrungsgedicht widmete, das einen anderen Anlass hatte und sie so selbst in die Lage kam ihr eigenes Loblied perfekt vorzutragen (suchen Sie es!).
Corinna dagegen war ich ein Schreibphantom, das sie nicht in ihrem Leben brauche und es ist sehr entspannend, sich vorzustellen, wie die Gubener jährlich auf dem selben Bächlein, an dem der Poetensteig entlangführt jährlich ein Plasteentchenrennen veranstalten.
Weiter geht unser Spaziergang durch die Rätselcity, denn wir betreten alsbald ein Antiquariat, an dessen Namen wir uns nicht erinnern können und werden mit dem „Stadtwächter“ Andreas Peter bekannt, der so zurückhaltend ist, dass wir nicht einmal wissen, dass wir es soeben mit ihm zu tun haben.
Meine Frau hat sofort ein Büchlein von Elsa Schuder in der Hand, das von der Hutmacherdynastie handelt und man muss erst selbst nachforschen, dass man es gerade mit dem Inhaber des Niederlausitzer Verlages zu tun hat, der es herausbrachte.
Wir erfahren, dass sich Guben im zweiten Weltkrieg fast so lange wie Berlin gehalten hat und dass auf ebenso rätselhafte Weise das Theater, zu dem Hutstiftungsmittel beigetragen hatten, alle Kämpfe überdauerte in der ansonsten fast völlig zerstörten Stadt, es aber dann, schon im Frieden, einer Brandstiftung zum Opfer fiel, selbst die Steine nach Warschau fortgeschafft wurden und die Stele davor, auf der die Büste der Corona war, zwar heute noch steht, die Büste aber auf rätselhafte Weise verlorenging (übrigens ein Sport, der in dieser Region sehr beliebt ist).
Die Stadt, die heute nicht mal mehr 20 000 Einwohner hat, birgt sicher Dutzende solcher Rätsel. Wir verstehen, da soll nichts ausgeplaudert werden, sondern selbst entdeckt, also machen Sie sich mal auf den Weg.
Ein kleiner Hinweis sei noch gegeben:
Ihr Freunde Platz, weicht einen kleinen Schritt!
Seht wer da kommt und festlich näher tritt!
Sie ist es selbst, die Gute fehlt‘ uns sehr;
Sind wir erhört? Das hoffen ist viel mehr.
Ihr kennt sie wohl; sie ist’s, die stet gefällt;
Als eine Blume zeigt sie sich der Welt:
Zum Muster wuchs dies schöne Bild empor,
Vollendet nun, umschmeichelnd jeden Tor.
Es gönnten fast die Musen ihr jedwede Gunst,
Und die Natur erschuf in ihr so manche Kunst.
Sie häufte freudig jeden Geist auf sich,
Und selbst Dein Name ziert, Corinna, Dich.
Sie tritt herbei. Seht sie gefällig stehn!
So absichtslos, doch wie in Absicht schön.
Und hoch erstaunt seht ihr in ihr vereint
Ein Ideal, das selten uns erscheint.
frei nach J. W. v. G., adaptiert von LL
im Waltersdorfe 22.4.2012