Hüsung
Als wir hier das schöne Fest der Stille unter Mitwirkung der Feuerwehr gebaut haben, war „Forrest Gump“ gerade nicht da. Vergeblich schauten wir hier im Vorbau des Gemeindehauses nach ihm.
Nun hat sich das Rätsel gelöst, der hier vor sich hin stinkende Obdachlose war da sicher in Iron City, wie der Filmheld unseres Obdachlosen, nämlich Tom Hanks, der zu dieser Zeit gerade in Berlin weilte wegen Dreharbeiten.
Die Eisenhüttenstädter kokettieren immer ein bisschen damit, dass sie doch Provinzler seien und tatsächlich erheben sie sich, wenn sie nicht gerade einen der noch zweitausend Arbeitsplätze im EKO haben, das jetzt etwas fremd Arcelor Mittal heißt, erst so gegen elf und stehen nicht an, das Straßenbild ein wenig mit ihren Jogginghosen zu beleben, denen noch ein wenig Bierdunst entsteigt. Im Volksmund heißt ja die Kleiderordnung Schnellfickerhose, aber damit scheint es auch nicht so weit her zu sein, denn die Stadt schrumpft und schrumpft.
Man wirkt dem mit einer etwas künstlichen Wohnraumverknappung entgegen, hat schon eines von einst sieben Wohngebieten als Relikt des Sozialismus abgerissen und sorgt so nebenbei für profitable Mietpreise.
Auch in Schönefeld scheint dieser Gedanke jetzt Raum zu greifen. Das Gotteshaus, was gut noch ein paar Hundert Jahre stehen könnte und außer dem einzigen Flughafengegnerplakat des Ortes zu dem historischen Ensemble gehört, von dem nicht mehr allzuviel übrig ist, denn Schule und Dorfkneipe wichen ja schon früher dem Erneuerungswahn, soll verkauft sein und dem Abriss anheim fallen.
Dass ist nun auch die Endlösung der Obdachlosenfrage für Waltersdorf. Für einige Bürger ist ja dieser ein Ärgernis, wegen Pinkelns und Weinverschüttens, andere haben sich schon in rührender Weise um Forrest gekümmert und sind nicht selten abgeblitzt, so dass sich die Sage verbreitete, es handle sich um einen im Grunde begüterten Menschen, der noch dazu sprachlos ist, dieses Transparent auch sicher nicht aufs Dach gebracht hat, aber meiner Frau ist es am Kindergarten in Eichwalde schon des Öfteren gelungen, ein paar Worte mit ihm zu wechseln, von ihr nahm er auch Tee an und begab sich willig fort, wenn sein Bild das Kommen der Kinder gestört hätte.
Sehr hat mich auch gefreut, dass auch die Damenwelt der Feuerwehr nicht aufhört, sich Gedanken um sein Schicksal zu machen, wohl überhaupt nach dem eindrucksvollen Film mit dem jungen Tom Hanks diesen Spitznamen erfunden hat.
Das ist kein Ausländer, der sich hier einen Bunten machen will, oft sieht man ihn als Standbild im Netto stehen, manchmal ist er für Tage verschwunden, manchmal sorgt man sich in einer Frostnacht um ihn. Er ist auch offenbar gebildet genug, alle Normierungsversuche der Polizei oder anderer professioneller „Helfer“ abzuwehren, so dass er sein selbstbestimmtes Leben fortsetzen kann und wie viel Bescheidenheit will man denn noch, als dass ein Mensch etwa vier Quadratmeter Schlafplatz beansprucht, nicht grölt, nicht demonstriert, nicht bettelt und ansonsten vor sich hinschweigt.
Abriss kostet auch erst mal Geld, vielleicht investiert man das etwas einfallsreicherer Weise in ein Dixiklo, als in eine unser lieblos gehaltenen Trockenrasenflächen.
Wer die immer offenstehende Blechtür zum Gottesgarten je geöffnet hat, findet dahinter ein Stück Natur, die wildromantisch anmuten kann und es steht dort auch ein sehr nützlicher Quittenbaum, von dem wir jährlich unser Gelee machen und der Räuber von zwei Gemeinden weiter anzieht.
Wie clean wollen wir unsere Welt, wo ich kein Kind je mehr am Flutgraben spielen sah und man sich fragen könnte, wo unsere vielen Kinder eigentlich sind?
Hüsung für Forrest!
in Ironcity 16.4.2012
Unterschriften:
Christian Rempel
A. Reykowski
S. Lindner