So nah ist Jena
Als Andreas Peter, der „Stadtwächter“ von Guben, den Roman Elsa Schuders ausgrub, schien er noch nichts über die Autorin gewusst zu haben, aber nun war er mit deren Tochter Rosemarie Anfang März sogar in Königs Wusterhausen. Rosemarie Schuder ist ja für ihre historischen Romane bekannt, die mir allerdings nicht so zusagen. Auch ist sie in Jena geboren, wo doch das erste Experiment in Sachen Mitbestimmung gelaufen ist und in der Zeit, wo Wilkes über den wasserfesten Hut nachdachten, hat Ernst Abbe an Mikroskopen und einer Stiftung getüftelt.
Insofern beides Handwerk ist, gibt es einige Parallelen, denn in beiden Fällen geht es um gut gehütete Produktionsgeheimnisse, wenn auch auf unterschiedlichem technischen Niveau. Abbe hat sich aber nicht nur auf so eine Vaterrolle beschränkt, wie sie der Carl Gottlob Wilke in seiner Hutmacherwerksatt, die dann zu einer richtigen Fabrik wurde, inne hatte, sondern Abbe hat ja aus dem Betrieb eine Stiftung gemacht, also so eine Art Kollektiveigentum.
In der Bescheidenheit nehmen sich die beiden Vaterfiguren auch nichts, denn sowohl Abbe als auch Wilke und selbst dessen Sohn Fritz, der dann das Geschäftliche zur Blüte brachte, waren ausgesprochen genügsam. Abbe hat sich dann immerhin ausgiebige Auslandsreisen geleistet, während die beiden Hutmacher selbst das weitgehend vermieden.
Der entscheidende Unterschied dieser anheimelnd patriarchalischen Verhältnisse, unter denen das deutsche Handwerk zur Blüte kam, dürfte die Rolle der Religion sein, denn die Hutmacher waren Altlutherisch, es gab Beziehungen zu Nikolaus Ludwig von Zinzendorf an, der die Herrnhuter Brüdergemeine gegründet hatte, während doch Abbe aus der Kirche ausgetreten war, was man vielleicht aus der stärkeren Verwissenschaftlichung seines Gebietes noch erklären kann.
Der alte Wilke war sogar nebenberuflich Prediger und wie ein roter Faden zieht sich die Religiosität durch die gesamte Handlung des Romans, in dem es Bruderzwist und enttäuschte Liebe gibt, aber alttestamentarische Ausmaße der Konflikte durch Besinnen auf die Bibel weitgehend vermieden werden konnten.
Das ganze Buch „Die Hutmacher“ strahlt so eine Herzenswärme, Sittsamkeit und Gottesfurcht aus, dass man nicht anders kann, als sich solche Verhältnisse zurückzuwünschen, wo das christliche Bekenntnis und dessen Gebote bis in die ehelichen und familiären Beziehungen hinein seine sichere Wohnstatt hatte.
Abbe hatte mit handfesten krankhaften Abhängigkeiten zu kämpfen, während die beiden ins Geschäft involvierten Hutmachersöhne nur eine seelische Rivalität austragen und Konflikte von dem Zuschnitt sind, dass der eine, Theodor, ein Zwillingspaar junger Frauen liebt, bewogen wird, eine davon zu erwählen und die andere den gespielten Verzicht mit dem eigenen Leben aufwiegt.
Auch Theodors Ausstieg aus dem Geschäft mit nur vierzig Jahren und seine Hinwendung zu den Künsten, allerdings mehr als Konsument, wird vorsichtig problematisiert. Er ist aber vom persönlichen Glück mehr gesegnet als der strebsame Bruder Fritz, dem immer wieder Schicksalsschläge ins Haus stehen.
Ein kunstvolles, ein erbauliches Buch, das ganz dazu einlädt, gute Nostalgiegefühle zu wecken und wie die ganze schlummernde poetische Geschichte Gubens, aus der sich die Handlung speist, sich eine Welt zurückzuwünschen, in der der Umgang liebevoll ist, voller Seelengröße, wo menschlich bewältigbare Konflikte statthaben, wo man gern verweilen würde und wenn es geht außerdem an der Ehre deutscher Wertarbeit mitwirken.
im Waltersdorfe 28.5.2012