Der Gedichtladen

Gedanken aus dem Leben, für das Leben

Kolumne KW26

Klarheit und Wahn

 

Ich schenke Dir mein kleines Lachen
na und mein großes noch dazu
und dann mein Herz, pack’s zu den Sachen
UND schließe schnell den Koffer zu

Andrea Rempel 1.4.2012

Ganz so unproblematisch geht es doch nicht zu bei der brandenburgischen Odyssee, wo es weder an kleinen Abenteuern noch an Liebe oder Eifersucht fehlt.

Die Wanderroute führte vorerst von Walters­dorf bis nach Guben, erst Richtung Frankfurt Oder und dann zur Neiße hinunter. Der treue Leser unserer Kolumnen wird schon einige Splitter der Eindrücke wahrgenommen ha­ben, aber in dem Buch „Klarheit und Wahn“ sind sie nun alle beisammen.


An Ostern ging es los und es ist ja die Oster­freudenzeit gewesen, die schon Jesus zu nutzen wusste, um immer mal hier oder da zu erscheinen, bis dann die Himmelfahrt heran war. So war das Ziel dieser Wan­de­rung auch die Suche nach dem Göttlichen und sollte dem Abbau der Schwelle zu anderen Menschen dienen, die das Los des Physikers ist, was auch erreicht wurde, bis dann die Odyssee vorerst in einem Irrenhaus endete.

Zunächst waren die Erlebnisse wie dieses: „Nahe des Ortsausgangs Wendisch Rietz, saß vor dem riesigen und dennoch scheinbar menschen­lee­ren Altersheim ein Mann in seinem Rollator und wartete auf was weiß ich. Natürlich sprach ich auch ihn an und es stellte sich heraus, dass er aus der Gegend war und nun nach ungefähr sechs Knie­operationen ein künstliches bekommen hat. Er hatte noch sehr schöne blaue Augen und seine Frau ist schon verstorben, er achtzig und als ich mit ihm darüber sprach, traten ihm die Tränen in die Augen.“

Später liest es sich in der Klinik dann so, wo die Experimentierfreude dann fröhliche Urständ feierte: “ Versuch: 3 mg Dopamin­blocker mit unsichtbarer Bruchkerbe in 150 ml Leitungs­wasser gelöst und ein paar Fliederblatt­zweige hineingestellt. Versuchs­beginn 8:50. Expositionsdauer: 3 Stunden. Die Blätter bleiben frisch und grün.“

Als diese Lösung dann vor den Augen des Arztes ausgetrunken wird, ist ihm, obwohl er die Versuchsbeschreibung vorher durchlas, nicht klar, wieviel Medikation sich der Patient soeben selbst verabreicht hat. Es war einfach mal die doppelte Tagesration, aber der Gott in Weiß hat nur ein nervöses Blinzeln.

Ein weiteres Buch könnte man über die Nach­wehen schreiben, wo die der Besorg­nis­se müde Familie dann auf dem Psychotiker herumhackt. Er sei im Grunde an seinen Zu­stän­den selber schuld und bemühe sich zu wenig um seine Gesundung.

Wen es also interessiert, wie es in einer glück­lichen Ehe zugeht, wo man sich auch mal eine Auszeit gönnen muss, wie man dann illegaler Weise in der Psychiatrie landet, dem sei dieses Buch empfohlen. Wie man derart dem „kapitalistischen Alltag“ entflie­hen kann, bekommt man mit diesem Roman an die Hand.

Das Buch ist ein vorzügliches Leseerlebnis, hat einen Umfang von 90 A4 Seiten und mit ihm wird ein neues Geschäftsmodell begrün­det, denn es handelt sich um ein Kettenbuch, das gegen Gebühr gelesen wird und dann weitergegeben. Die Lesegebühr beträgt neun Euro und bei Weitergabe bekommt man einen Euro retour. In der ersten Auflage werden 10 Bücher in Umlauf gebracht, wenn Sie also so ein Startleser werden möchten, dann würde ich mich über eine Meldung bis zum 2 Juli freuen.

Im Waltersdorfe 22.6.2012