Der Gedichtladen

Gedanken aus dem Leben, für das Leben

Welchen Gewinn habe ich von meiner Krankheit?

Farben

 

Das Leben hat so viele Farben
es ist so reich und auch so bunt
die Menschen sind oft sehr am argen
und denken sich die Köpfe wund

Das Gelb steht da wohl für den Neid
und Hoffnung trägt in sich das Grün
sie alle tragen so ihr Kleid
man muss sich nicht mal müh`n

Das Rot, oh seht nur welche Pracht
es steht für wahre Liebe
ob nun bei Tage oder Nacht
trägt immer neue Triebe


Und viele Farben hat in sich
der Regenbogen dort am Himmel
denn wenn die Wolken legen sich
von ihrem Sturmgewimmel

Erscheint er dir, so freu Dich sehr
er schenkt dir alle Farben
nimm doch nicht eine Dir daher
sollst alle in Dir tragen

Denn keiner kann für sich allein
der Himmel sein auf Erden
ich wünsche mir, du bleibst stets mein
so kann ich glücklich werden

Andrea Rempel 15.06.2012

Man könnte die Frage leichter beantworten, wenn man wüsste, um welche Krankheit es sich eigentlich handelt. Leute, die Wert darauf legen, dass sie nicht psychotisch und nicht schizo­phren sind, sprechen von manischen und depressiven Phasen in ihrem Leben.

Und das habe ich eben davon, dass ich wieder einmal so eine manische Phase hatte, dass ich jetzt mehr oder weniger depressiv bin. Dieser Zustand ist per Lehrmeinung nicht behebbar, man kann sich einfach nicht überwinden und so bin ich unsäglich faul, was als Gewinn zu empfinden wohl erfordern würde, dass man eigentlich nicht faul ist und sich eben nur gehen lässt. Da zeigt man sich ungern einem fremden Menschen und fremd sind ja fast alle und man wird vergessen, was ich ohne Vorwurf oder Sehnsucht nach Abhilfe sage, denn ich habe zu einzelnen Menschen durchaus noch Kontakt. Wenn ich mich in einem solchen Zustand an meine Töchter wende, dann kommt: „Du ziehst mich runter“, denn da verstand ich früher ein Klagelied zu singen, Das kann man aber auch ganz gut bleiben lassen und einfach warten, was dann an Ermutigendem kommt und ich sehe an unserem verwaisten Telefon oder an meinem emailaccount, dass man da gut und gerne bis in die Ewigkeit warten kann. Naheliegend wäre da zu schlussfolgern, dass man den anderen egal ist, aber ich habe inzwischen festgestellt, dass in den meisten Leben ein­fach nichts Mitteilenswertes passiert oder man es eben lieber mit sich ausmacht. Wenn ich das auf das Beispiel Djamila beziehe, da ist es sogar so, dass sie meiner Hellsichtigkeit in den ma­nischen Phasen lieber gar keine Nahrung mehr geben möchte und sich schon daher zurückhält. In diesen depressiven Phasen hat man also den Ge­winn, dass man vollkommen ungestört ist, von keinen Wehwehchen behelligt ist und zum Beispiel ein Buch über eine manische Phase oder Psychose schreiben kann. Das habe ich nun getan und muss nun wieder sehen, dass in diesem meinem Leben auch mal wieder etwas passiert, denn ich habe eigent­lich immer ganz gern eine Platte drauf so wie in den Tagen kurz nach meiner Wanderung. Wenn man mal auf einer Fete ist, wie jetzt bei Eberhards 60., da merkt man ganz deutlich, dass in den meisten Leben nichts mehr passiert, dass sich das ganze Leben auf unerklärliche Weise zur Ruhe gesetzt hat und die Leute herzlich langweilig sind. Diese Langeweile empfinde ich auch, wenn ich mal unter den Töchtern bin und bei Lichte besehen hatte ich das schon immer, wenn eben nicht kommuniziert wird.

Vielleicht ist aber auch meine Depression eben keine und es ist nur ein vorgeschobenes Argu­ment, um die Faulheit zu kaschieren. Für drei Wochen à 5000 Euro kann man sich natürlich auch in Verhältnisse begeben, in denen einem dieses Gefühl der Inferiorität genommen wird und man sich notgedrungener Weise wirklich auch mehr zusammennimmt. Das ist eben die Klinik oder auch eine Kur, zu der mir ja auch schon gelegentlich geraten wurde. Da wird einem dann gesagt, wann man was zu machen hat, man kann es sich in einem gewissen Grade sogar aussuchen, aber dass etwas gemacht wird, steht außer Diskussion, weil sonst die Entlassung auf Sanktnimmerlein verschoben wird.

Die Rolle der nach außen verlegten Motivation und Disziplin könnte man meiner Kindheit zu­schrei­ben, wo Mutter der Motivator war. Aber dass das zu kurz greift, beweisen die vielen Jah­re, die ich auch ganz ohne diesen äußeren Antrieb durchgezogen habe, sondern nahezu selbst Motor war. Das waren die Zeiten, wo wir hier am Haus geschindert haben und ich immer voller Pläne war, obwohl Mutter doch lieber gesehen hätte, dass wir in ihr Haus einziehen und sie sich etwas Neues bauen. Auch das mit der Firma habe ich aus eigenem Antrieb gemacht, auch wenn sich die Eltern immer interessiert haben, wie es dort weitergeht. Selbst das Schrei­ben habe ich aus freien Stücken begonnen und es hat eine ganze Zeit gedauert, bis Mutter dann auf einen Aufsatz (Friedrich der Staufer) hin gesagt hat, dass sie mich doch für einen Schriftsteller hält.

Nun muss ich wohl auch ein bisschen Deinem Bedürfnis entsprechen mir etwas anzukreiden und über die psychotische Phase sprechen, die andere gern als manisch bezeichnen und weitestgehendst zu vermeiden suchen. Diese bietet nun wirklich eine Scheinwelt, die der von mir gesuchten irgendwie nahe ist.

Als ich mich auf die Wanderung begab, musste ich natürlich auch die Frage beantworten, warum ich das überhaupt machen wollte. Da ist natürlich die körperliche Betätigung, die ja auch eine Voraussetzung für die geistige ist. Aber dafür kann man ebenso gut in ein Fitness­studio gehen, wobei mir allerdings schon beim Anblick eines Hometrainers der Gedanke kommt, dass man Fahrradfahren auch so haben kann und dabei irgendetwas Nützliches erledigt, man also sein Leben so einrichten kann, dass damit ein bisschen körperliche Betä­tigung verbunden ist.

Das erklärte Ziel der Wanderung bestand aber nicht darin, möglichst viele Kilometer zu machen, sondern es war der Suche nach dem Göttlichen gewidmet und der Suche nach dem Abbau der Schwelle zu anderen Menschen. Letzteres ist allein dadurch schon ein Problem, dass ich Physi­ker bin und man diesen Beruf nur zu nennen braucht, dass bei 90% der Leute eine Jalousie fällt. Das war doch das Fach, wo wir nicht so recht durchblickten, wo wir eine schlechte Zensur hat­ten, das Fach, das wir gern einer Handvoll von Leuten überlassen, die sich dazu hingezogen füh­len. Vielleicht ginge die Jalousie auch schon runter, wenn der Gesprächspartner bemerkt, dass man überhaupt ein Intellektueller ist, der sich sicher etwas einbildet auf den Abstand, den er zwischen sich und den Rest der Welt gebracht hat. Deshalb habe ich auch eine tiefe Skepsis gegenüber der Intellektualität und versuche so wenig intellektuell wie möglich zu sein. Physiker sehen sich auch gern als die Ingenieure des Weltplans Gottes und erfreuen sich daher anderer­seits auch einer großen, wenn auch distanzierten Popularität. Man kann sich dieser Rolle, in die man da gedrängt werden soll, manchmal schwer erwehren.

Das mit dem Göttlichen halte ich auch so einfach wie möglich, denn ich glaube nicht, dass man sich ein Sammelsurium von Religiösem aneignen kann, sondern ich halte mich da einfach an das Christentum, konkret an den Protestantismus und noch konkreter an den Pietismus, mit dem ich mich schon vor Jahren beschäftigt habe. Ich mache mir keine großen Gedanken, wie man sich Gott vorstellen soll, das mag die Natur sein oder eine Person oder einfach die Mikrowelt, die sich in einem Universum manifestiert. Schon als ich die ersten Male verrückt wurde, hatte ich die Vorstellung einer belebten Mikrowelt und habe mir viel eingebildet auf die Entdeckung dieser Möglichkeit. Jetzt liegt mir am nächsten, dass es drei Kategorien gibt: Götter, die Mikro­welt und Menschen, die eben alle einen göttlichen Kern haben. Und ich erlebe dieses Göttliche in meinen Psychosen und deren Umfeld, wobei das tollste Gefühl das des Auserwähltseins ist, dass man mit al­len möglichen Zeichen bedacht wird.

In diesen Phasen, in denen das Göttliche mir nahe ist, funktioniert einfach alles. Es ergeben sich Situationen, die nach der Wahrscheinlichkeit gar nicht so gehäuft auftreten können. Alles, was einem begegnet, ob in der Natur oder situativ, passt zusammen und man entgeht sogar gewis­sen Gefahren, denn man ist ja auserwählt, hat eine bestimmte Aufgabe, die Gott und die Mikro­welt durch einen bewirken wollen. Es steht also nicht mehr die Sinnfrage des Daseins, sondern die Aufgabe ist da und muss unter allen Umständen gelöst werden. Dazu ist man dann beru­fen. Man muss nur auf diese Zeichen achten, man muss geistesgegenwärtig sein, geschickt, lis­tig und alle guten männlichen Eigenschaften sind eben gefragt. Dieses tolle Gefühl und diese tollen Erlebnisse kann ich nur jedem wünschen. Man merkt in diesen Phasen auch, dass einem in die­sem Punkt Menschen nahe sind, dass sie auch ein gewisses Risiko mitzutragen bereit sind. Das ist die unerklärliche Ausstrahlung, die man als Psychotiker hat und für die man im Nachhi­nein bezahlt mit der eingangs erwähnten Phase und der Abstand sich dann sogar vergrößert, weil sich andere Menschen in einen „krankhaften“ Zustand haben hineinmanövrieren lassen und man ist dem Verrückten daraufhin gram.

Der Gewinn dieser Phase ist also nur ein zeitweiliger, der nicht länger anhält als die Psychose selbst und man hat hinterher noch die Aufgabe das entzwei gegangene Geschirr bei anderen zu entschuldigen, denn nur man selber hatte den ganzen Plan in sich und trägt dafür auch die al­lei­nige Verantwortung. Noch dazu war das alles Blödsinn, für den man da gerade mal gekämpft hat und wer lässt sich schon gern in Blödsinn verwickeln.

Aber es gibt noch einen weiteren „Gewinn“ für mich, wenn ich zum Beispiel an den letzten Kli­nik­aufenthalt denke, dass ich nämlich von meinen kleineren Problemen abgelenkt bin, in diesem Fall von der Eifersucht zu der ich vielleicht nur imaginativen Anlass hatte, was deren Berech­ti­gung aber keinen Abbruch tut, denn ich habe mich ja mit der in fast jeder Beziehung Lichtge­stalt von Andrea einigermaßen übernommen, aber scheue auch in dieser Beziehung nicht vor dem Risiko, weil ich mein Leben darein setze.

Und nun bist Du, seid ihr dran. Welchen Gewinn hast Du, habt ihr von meiner oder eurer Krank­heit. Sicher ist das auch ein gewisser Trainingseffekt in Sachen Mitgefühl, aber wenn man sich davon nun­mehr verabschieden möchte, weil es sich doch um einen renitenten, verlodderten und therapie­unwilligen Kranken handelt, der eigentlich nur Schwierigkeiten macht, dann könnte es sinnvol­ler sein, wenn man Deinem Vorschlag gemäß sich in die Wüste begibt und den Tod ganz un­spektakulär erwartet. Da wäre es dann etwas schwieriger mit dem Anrufen und geordertem Abtransport.

Christian Rempel, im Waltersdorfe, den 19.6.2012